Damit wir hier keine Zeit verplempern: Ja, sie haben sie alle gespielt. Sweet Child O' Mine, Welcome to the Jungle, Patience, November Rain, Paradise City, Knockin' on Heavens Door. Axl Rose und Slash waren über Jahre im Krieg, aber sie haben es doch geschafft, nach Jahren wieder gemeinsam eine Bühne zu betreten. Ob es ihnen wirklich nur ums Geld gegangen ist, oder sie eine Friedenspfeife geraucht haben, bleibt offen. Nahe gestanden sind sie einander auf der Bühne - umarmt haben sie einander allerdings nicht im Geringsten. Chemie in der Band, in der auch Bassist Duff McKagan aus der Originalbesetzung wieder auf der Bühne war, hat man eher nicht verspürt. Die Kraft von Ausnahmekönnern des Rock'n'Roll-Zirkus haben sie trotzdem über die Rampe geknallt.

Die Röhre rockt

Ticketpreise von 120 Euro aufwärts sind kein Schnäppchen, aber was die legendäre 1990er-Truppe aus Los Angeles über die Rampe rockt, ist - wieder - schwer in Ordnung. Stand Axl in den frühen 2000er-Jahren im Ruf, seine Stimme immer nur halbstundenweise im Sauerstoffzelt zu finden, ist er an diesem Abend bestens disponiert. Seine Röhre fährt wieder wie eine Kreissäge durch die Hardrock-Knaller mit Punk-Attitüde, die die schweren Gitarren-Riffs von Slash einst in die Mainstream-Hitparaden gesprengt haben.

Auch der Locken-Held mit Hut an der E-Gitarre zeigt in jeder Faser und in jedem Lick, dass seine in die Jahre gekommenen Finger immer noch jeden Ton in die nächste Liga raufziehen können. Was schmerzt: Sein Sound ist mit Delay und Gain so weit aufgedreht, dass die schnellsten Fingerübungen in einem Stadion-Brei landen, den sich seine Fertigkeiten nicht verdient haben. Überhaupt bekommt die Technik-Truppe den Sound im Stadion recht spät einigermaßen in den Griff.

Kopulierende Knochenmaxis

Das Publikum, mehr als 50.000 sind gekommen, ist hier, um den Sound der 1990er abzuholen. Und hier macht die Band eigentlich alles richtig. Dennoch muss man sich zwischenzeitlich zwei Schritte neben sich selbst stellen, um im Abend zu bleiben. Die Dichte an Totenschädeln, die über die Leinwände flimmern, das Schwermetall an Silberketten mit Kruzifixen im Großformat, die Totenschädeln auf den solierenden Slash-Fingern und ja, selbst kopulierende Knochenmaxis auf dem Mega-Screen hinter Axl verlangen einem hier alles ab. Aber gut: Diese Truppe war auch schon in ihrer besten Zeit schon so etwas wie eine barocke Karikatur einer Hardrock-Band. Das hilft heute, weil sich optisch - blendet man die Kilos und etliche Falten aus - in der Oberfläche der Präsentation nichts geändert hat.

Solo-Porno

Die Band aber ist ihr Geld wert, auch heute noch. Auch wenn die ewig schlingernden Soli in der Nahaufnahme etwas Pornografisches haben, das Headbanging schon fast gestrig anmutet: Hier spielen perfekte Musiker hochprofessionell ein Drei-Stunden-Set. Sie haben keine neuen Songs, kein neues Album im Handgepäck, schmettern dafür "Black Hole Sun" von Soundgarden und dem aus dem Leben getretenen Chris Cornell über die Rampe oder ein Instrumental-Gitarren-Duell zu Pink Floyd's "Wish You were here" und zeigen, was sie können. Nein, hier ist wahrlich nichts Neues zu erwarten, aber der Blick in den Rückspiegel macht die Masse glücklich und zeigt: Es sind Hymnen einer Generation, die hier geschrieben wurden. Und der Sound, die Performance, die Attitüde ist vielleicht alt. Aber immer noch richtig gut! Ja, man kann den Burschen aus L.A. Rosen streuen. Die Munitions in ihren Pistolen zündet noch!