Die Welt des Soul ist ohne Aretha Franklin heute kaum denkbar. Seit ihrem letzten Hit ist viel Zeit vergangen, unter die Haut geht ihr Gesang bis heute. In der Vergangenheit hängengeblieben ist Franklin nicht, und noch immer reißt sie Konzertbesucher von den Sitzen. Seit Samstag ist sie 75 Jahre alt.
Sogar den Präsidenten der Vereinigten Staaten brachte sie schon zum Weinen. Barack Obama wischte sich eine Träne aus dem Auge, als Aretha Franklin sich Weihnachten 2015 im Kennedy Center im langen Pelzmantel an den Flügel setzte und "(You Make Me Feel Like) A Natural Woman" anstimmte. Mit ihrer gewaltigen Stimme hat die bis heute unangefochtene "Queen of Soul" schon so manchen Konzertbesucher mitgerissen.
Songschreiberin Carole King, aus deren Feder die Soul-Ballade stammt, war bei jener Gala in Washington völlig fassungslos, als Franklin die Bühne betreten und die ersten Takte angestimmt hatte. Deren Interpretation wird die wohl endgültige Version von Kings Hit bleiben. Nach 18 Grammys, Hits wie "Respect", "Chain Of Fools" und "I Say a Little Prayer", die längst eine Art Eigenleben entwickelt haben, hat Franklin einen festen Platz im Olymp des Soul.
So wie die in Memphis im Südstaat Tennessee geborene und in Detroit aufgewachsene Franklin aus dem Soul nicht wegzudenken ist, ist der Gospel aus Aretha Franklin nicht wegzudenken. Mit ihren Schwestern Carolyn und Erma, die beide ebenfalls Musiker-Karrieren einschlugen, sang sie in den 1950er Jahren in der Kirche ihres Vaters. Der Pastor war selbst erfolgreicher Gospel-Sänger - der Ruhm seiner Tochter sollte seinen aber weit überstrahlen.
Schon mit 14 Jahren nahm Aretha Franklin ihre erste Gospel-Platte auf. Bald zeigte das Plattenlabel Motown Interesse, das später Stevie Wonder, Marvin Gaye und die Jackson Five mit Jungstar Michael Jackson unter Vertrag nehmen sollte. Aber Motown war damals noch ein kleines Startup, und vom weltweit aus New York tätigen Label Columbia erhofften sich Vater und Tochter einen größeren Sprung nach vorn. In der Metropole gewöhnte Franklin sich dann auch daran, in Jazz-Clubs aufzutreten, darunter auch im damals elitären Village Vanguard.
Der Welthit:
Es war aber erst der Wechsel zum Label Atlantic, der den Soul aus der Afroamerikanerin herauskitzelte. Bei Columbia hatte Franklin nur einige kleinere Erfolge gelandet und etwas ziellos versucht, als Rundum-Entertainerin in die Welt des Pop vorzustoßen. Bei Atlantic gelang es Produzent Jerry Wexler, mit ihrer ersten Single dort - "I Never Loved a Man (The Way I Love You)" - genau die Mischung zu zaubern, die Franklin-Fans in vielen Ländern über Jahrzehnte begeistern sollte: eine leidenschaftliche, helle Stimme vor dunkleren, souligen R&B-Arrangements mit Background-Sängern.
Als Franklin 1967 Otis Reddings Titel "Respect" einsang, setzte sie sich damit nicht nur acht Wochen auf den ersten Platz der R&B-Charts, sondern an die Spitze der schwarzen Bürgerrechtsbewegung gleich mit. Für viele wurde Franklin ein Symbol für ein politisch turbulentes Jahrzehnt und für ein schwarzes, stolzes Amerika. "Dieses Mädchen hat diesen Song von mir gestohlen", sagte Redding in einem 2001 ausgestrahlten TV-Beitrag über "Respect". An den Millionenverkäufen der Single hatte er allerdings ordentlich mitverdient.
Auch dank ihrer Auswahl an musikalischen Vorlagen hielt sich die Sängerin nach dieser Hochphase im Gespräch. Sie sang Stücke der Beatles, von Simon & Garfunkel und Sam Cooke, 1980 sang sie mit George Michael ein Duett. Ihr eindringliches Klavierspiel, das sie auch im Kennedy Center in Washington wieder unter Beweis stellte, wurde wohl auch wegen der Kraft ihrer Stimme oft verkannt.
Wie bei so manchen Musikern ihres Kalibers liegt die goldene Ära nun schon etwas zurück - seit Franklins letztem Nummer-Eins-Hit sind mehr als 30 Jahre vergangen. Abhängen lässt sie sich von der Musikwelt deshalb nicht. Auf dem 2014 erschienen Album "Sings the Great Diva Classics" nimmt sie sich Stücke von Gladys Knight und Barbra Streisand, aber auch der britischen Popsängerin Adele vor. "Was für großartige Musik! Ich habe mir gleich die CD gekauft", sagte Franklin. Auch mit Soulsänger Babyface und André 3000 von der Rap-Kombo Outkast arbeitete sie bei dem Album zusammen.
Heute dürfte sich glücklich schätzen, wer Franklin einmal live erlebt hat - 17 ihrer 18 Grammys gewann die Diva für ihre Auftritte. Ihre Stimme pflege sie "auf jeden Fall", sagte sie dem Magazin "Vogue" im Jahr 2016. Details verriet sie dabei aber nicht, sondern sagte nur: "Das ist ein Betriebsgeheimnis".