"Was immer auch passiert, es war nie zu spät, dass man zu sich selber findet und auf die Reise geht.“ Kommt Ihnen das bekannt vor?
WOLFGANG AMBROS: Sie müssen lauter sprechen!
Schwerhörig?
Na, die Telefonverbindung ist so schlecht.
Ich wiederhole: „Was immer auch passiert ...“
Ja, ja. Passt schon. Ich kenne den Text. Ich habe ihn selbst geschrieben. Das Lied heißt „Geburtstag“.
Das war zu Ihrem 60er, also vor fünf Jahren, wohin geht die Reise jetzt?
Wenn ich das wüsste! Ich bin ja nicht der Reiseleiter, nur der Passagier.
Aber Sie sind auf dieser Reise nicht ganz machtlos.
Ich kann Weichen stellen und ich hoffe, dass ich das auch getan habe. Nein, ich weiß, dass ich das getan habe. Aber wohin die Reise letztendlich geht, das entscheidet das Schicksal. Und man muss es auch akzeptieren, wohin die Fahrt geht. Meine persönliche Reise hat also ein unbekanntes Ziel.
Im Moment ist Deutschland Ihr Ziel, dort absolvieren Sie gerade eine große Tournee. Die Häuser sind oft ausverkauft, Wiederholungskonzerte angesetzt. Schön. Aber laufen Sie vor dem Geburtstag davon?
Nein, das war schon lange geplant. Der Geburtstag ist mir wurscht, und laufen kann ich eh schon lange nicht mehr.
Das aktuelle Programm heißt „Ambros pur, Vol. V“. Was steckt da drin?
Der Ambros, der nicht nur die alten Hadern spielt, sondern auch unbekanntere Lieder.
Alles Kinder von Ihnen?
Ja, ein schönes Bild. Das gefällt mir: Kinder! Viele stehen im Licht, aber die anderen sieht man nicht. Darum rücke ich sie jetzt dorthin, die unbekannteren Kinder, ins Licht. Weil: Ich bin ja der Vater von allen und liebe alle gleichermaßen.
Welches ungeliebte Kind lieben Sie besonders?
Das ist wieder so eine blöde Frage! Wenn ich jetzt aus dem Ungeliebten ein Geliebtes mache, führe ich mich ja selbst ad adsurdum. Das wäre ja wieder eine Bevorzugung.
Zum Geburtstag ist die platte Frage erlaubt: Wie geht es Ihnen?
Die Rückgratprobleme werd ich nicht mehr los. Mein Leben wird am Gehstock enden, damit habe ich mich abgefunden. Aber die Schmerzen sind erträglicher geworden.
Der Herr Joesi Prokopetz, der Ihnen den „Hofa“ auf den Leib und Sie damit in die Austropop-Geschichte geschrieben hat, feierte unlängst auch seinen 65. Geburtstag. Er ging in „Vollpension“, das ist allerdings nur der Titel seines neuen Kabarettprogramms. Können Menschen wie Sie überhaupt fernab der Bühne leben?
Noch kann ich mir das nicht vorstellen, ohne Bühne.
Dort oben zu stehen, ist also Ihre Welt!
Erstens stehe ich nicht mehr, sondern sitz. Und zweitens haben S’ schon recht.
Inwiefern?
Egal, wie anstrengend der Tag war. So viele Kilometer zum Fahren, so viele Hotelzimmer, da fragt man sich oft: Warum noch, warum tu ich mir das an? Aber dann kommt man in den Ort, in die Stadt, in die Halle, zum Soundcheck. Und das Adrenalin steigt. Und steigt. Und steigt. Und dann kommt man auf die Bühne. Und bekommt Applaus. Nicht irgendeinen gelangweilten, gefälligen Applaus, sondern tatsächlich herzlichen Applaus. Ich spüre: Die Menschen mögen mich offenbar. Und dann denk ich mir halt wieder: Ja, das ist es wert! Deshalb mach ich weiter.
Sie haben unlängst wieder geheiratet, und die Standesbeamtin hat sich zunächst versprochen: „Wolfgang Gottfried Amadeus Mo...“ wollte Sie sagen. Also Mozart statt Ambros. Wäre auch nicht ganz falsch gewesen, oder? Sie sind schließlich der Mozart der Austropop.
Erstens, die G’schicht mit der Standesbeamtin stimmt. Meinen Namen hat sich der Vater einfallen lassen, dafür kann ich nichts. Zweitens, so ein Blödsinn! Es gibt nur einen Mozart – und an den reicht keiner heran. Nicht einmal ich.
„Godfather“ des Austropop werden Sie auch genannt.
„Der Pate“, ja, ja. Da hat jemand zu viel Mafia-Filme geschaut.
Also wie verbleiben wir?
Ohne Titel, bitte schön.
Schwenk in die Gegenwart: Ihr Sohn Matthias ist Schlagzeuger bei „Seiler & Speer“. Was sagen Sie zu Ihren musikalischen Enkelkindern: Wanda, Nino aus Wien, Voodoo Jürgens?
Das sind alle liebe Haberer von mir, also schwer in Ordnung.
Aber mit diesen Gruppen schließt sich doch der Kreis. Ambros hat anno 1972 Wiener Moritaten gesungen, Voodoo Jürgens singt 45 Jahre später über das Ausgraben von Leichen.
Also, wenn sich der Kreis schließen würde, wäre das traurig, weil dann würden wir uns immer im Kreis drehen. Und das wäre verdammt fad.
Auch wieder wahr! Aber Sie drücken sich um die Frage, ob Sie ein Pate des Austropop sind und heute dieser Begriff überhaupt noch Relevanz hat.
Was ist das, Austropop? Damals, in den 70ern, war das noch von Bedeutung. Ich hab ganz klein begonnen, wurde in den 80ern ganz groß, aber die 90er haben mich belächelt, die 2000er fast bemitleidet – aber ich bin noch immer da.
Und Sie stehen grod, wieder ein Liedtitel von Ihnen.
Na, ich sitz. Schon vergessen.
Auf Ihrer ersten CD findet sich nicht nur der legendäre „Hofa“, sonder auch ein Lied mit dem Titel „De oidn Leit“. Gehören Sie heute auch dazu?
Das erste Lied war der „Hausmeister Pokorny, 60“. Ich war damals 20 Jahre alt. Dass ich jetzt nicht mehr der Jüngste bin, ist klar. Aber interessant ist Folgendes: Da kommen oft Fans zu mir mit ihren uralten Platten, zittern durch die Gegend, wollen ein Autogramm und sagen dann noch mit wackliger Stimme: „Aber Sie haben sich schon ganz schön verändert, Herr Ambros. Alt sind S’ g’worden!“ Dann sag ich immer: „Aha – und Sie nicht?“
Ihre zweite Platte heißt „Eigenheiten“. Was sind Ihre charakterlichen Besonderheiten?
Keine Ahnung. Das müssen Sie schon meine Frau fragen.
Sie haben den legendären Ruf eines Grantlers!
Aha. Bin ich einer?
Ja, eigentlich schon.
Dann wird es schon stimmen.
Kennen Sie eigentlich so etwas wie Altersmilde?
Milde?
Ja, dass Sie mit sich selbst und anderen gnädiger umgehen.
Hm, schon, ich reg mich nicht mehr so viel auf.
Denkt man an einem Geburtstag an jene Freunde, die einem vorausgegangen sind? Zum Beispiel an den Georg Danzer?
Ich singe im neuen Programm sein Lied „Weiße Pferde“. Aber ich denke jeden Tag an ihn; nicht nur, wenn ich diesen Song singe.
Wird der Schmerz des Verlustes mit den Jahren weniger?
Der Georg war mir so nah, dass sein Fehlen nie fern sein wird.
Haben Sie Angst vor dem Ende?
Na! Überhaupt nicht. Wenn ich heute den Löffel abgeben müsste, könnte ich sagen: Ich hab g’macht, was ich können hab.
Letzte Frage ...
Was?
Schwerhörig?
Nein, Leitungsprobleme!