Depeche-Mode-Musiker Martin Gore wirkte nachdenklich nach der Pressekonferenz, auf der die britische Synthie-Pop-Band im Herbst ihr neues Album angekündigt hatte. Er mache sich angesichts der politischen Lage auf der Welt Sorgen, es gebe viele unglückliche Menschen, die nicht wüssten, wohin mit ihrer Unzufriedenheit. Brexit. Trump. Diplomatische Krisen am laufenden Band.
"Zurzeit ist so viel los auf der Welt, Inspiration ist überall", sagte Gore der dpa. Nun ist es so weit - vier Jahre nach "Delta Machine" kommt am Freitag (17. März) das neue Album "Spirit" (Sony Music) auf den Markt. Die Stimmung: bedrückend, düster, stellenweise bedrohlich. Der Soundtrack für unsere Zeit, könnte man meinen. Auf dem Cover: Beine, die in eine Richtung marschieren, Flaggen, die in die andere Richtung wehen.
Gleich im Opener "Going Backwards" zeichnet die Band ein pessimistisches Bild: "Wir bewegen uns rückwärts, wir ignorieren die Realitäten", singt Frontmann Dave Gahan. "Wir haben keinen Respekt, wir haben die Kontrolle verloren", heißt es an anderer Stelle in dem Song, der zu dem Schluss kommt, dass wir - bewaffnet mit neuen Technologien - immer weiter zurückgehen, bis wir wieder zu Höhlenmenschen werden. Untermalt wird das Szenario von einem pulsierenden Rhythmus, der nichts Gutes ahnen lässt.
In der ersten Single-Auskopplung "Where's the Revolution" geht es, wie der Titel schon verrät, um die Revolution. Die allerdings kommt nicht in Gang, schimpft Gahan, immer wieder fragt er, wo die Revolution bleibe, und versucht die Leute zu ermuntern, ihn dabei nicht hängen zu lassen.
Weniger kämpferisch klingt dagegen schon "The Worst Crime" ("Das schlimmste Verbrechen"), in dem es deutlich ruhiger zugeht als in den beiden ersten Stücken. Und auch da sind die Zeichen der Zeit wieder zu erkennen: Besungen werden Missinformation und fehlgeleitete Führer, ungebildete Leser, Teilnahmslosigkeit. Bemerkenswert, schließlich hat die Band ihr 14. Studioalbum vor der Wahl Donald Trumps in den USA und vor der breiten Debatte um Fake News aufgenommen.
Doch der politische Tiefgang ist jäh vorbei - dagegen klingt ein Titel wie "So Much Love" schon fast platt, aber mehr nach Depeche Mode. Darin geht es um schmerzliches Verlangen und um Verlust, "Feuer in den Venen". Es dreht sich um das Du und das Ich, wie viele andere der insgesamt zwölf Songs. In "No More (This Is The Last Time)", einem der sanfteren und melodiösen Lieder der Platte, geht es um getrennte Wege nach einer langen gemeinsamen Zeit, bis Gahan zu dem Schluss kommt: "Du bedeutest mir nichts mehr". An anderer Stelle geht es ums Versagen oder menschliche Abgründe.
Für "Spirit" haben Gahan (54), Sänger und Gitarrist Gore (55) und Keyboarder Andrew Fletcher (55) in ihrer mehr als 35-jährigen Bandgeschichte erstmals mit James Ford zusammen gearbeitet, der zuvor Alben von Florence and the Machine oder den Arctic Monkeys produziert hat. Gahan sagte in Mailand, Ford habe es geschafft, Depeche Mode auf ein anderes Level zu bringen.
Gebrochen hat die 1980 gegründete Band auf der neuen Platte aber keinesfalls mit ihrem Stil. Noch immer wummert, summt und hackt es elektronisch, was ab und an nur durch natürlichen Klavier-Sound durchbrochen wird. "Spirit" klingt aber fast ausnahmslos schwer und düster, und auch am Ende wird das Gemüt nicht positiver. "Oh we failed!" ("Oh wir haben versagt!") ist die bedrückende letzte Zeile.
www.depechemode.com
Lena Klimkeit/dpa