Als er 1970 seine Hände anschaute, musste er wohl annehmen, dass diese unmöglich je wieder Cellistenhände werden würden. Fünf Tonnen Zement hatte Mischa Maisky jeden Tag zu schaufeln ...
„Mein Beitrag zum Aufbau des Kommunismus – ohne Erfolg, wie wir heute wissen“, scherzt er noch heute über jene Zeit, als er zunächst vier Monate in einer Moskauer Zelle und dann 18 Monate in einem Arbeitslager bei Nischni Nowgorod litt. Maiskys jüdische Familie zählte nämlich im lettischen Riga zur geknechteten Minderheit, und nachdem eine seiner Schwestern es 1969 gewagt hatte, nach Israel auszuwandern, musste halt der Bruder büßen.
Um nach den Torturen im Lager noch weiteren im Militärdienst zu entgehen, hatte sich Maisky von einem befreundeten Psychiater für zwei Monate in eine Nervenklinik einweisen lassen, bevor er dank eines Freikaufs durch einen amerikanischen Gönner 1972 emigrieren durfte.
Maiskys erste Station in Freiheit war Wien, wo er seinen „zweiten Geburtstag“ feierte. Auch weil ihn die Hände nicht im Stich gelassen hatten, wie er nach zwei Jahren ohne Cello bemerkte. Bereits 1973 gab der Musiker, der beim großen Rostropowitsch studiert hatte, sein umjubeltes Debüt in der New Yorker Carnegie Hall. Da war er erst 25.
Der Rest ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Maisky, der schon mit acht Jahren außer Cellist nur Cellist werden wollte, baut neben seiner fantastischen Technik und seiner warm singenden Montagnana aus 1720 stets „auf die Authentizität der Gefühle“, wovon Größen von Leonard Bernstein bis zu Landsmann Gidon Kremer profitierten. Als stolzer Vater liebt der in Brüssel lebende Künstler aber auch Auftritte mit seiner Tochter Lily (29, Klavier) und seinem Sohn Sascha (27, Geiger). Im Grazer Musikverein wird Mischa Maisky gleich drei Mal zeigen, wie stark diese Familienbande sind.
Michael Tschida