Der geschätzte Kollege Markus Zottler führte - völlig zu Recht - den fabelhaften Ebott Lundberg und seine Indigo Children in der Bestenliste an. "To Be Continued" ist allerdings nicht das einzige Filetstück, das auf dem Album "For The Ages To Come" zu finden ist. Hier sei noch eine Nummer des genialen Zauselbarts aus Schweden nachgelegt: "Calling From Heaven" klingt ganz so wie der Titel suggeriert: Jubelstimmung, Sitar, Gitarren unter Strom und polterndes Schlagwerk - verteilt auf generösen sechseinhalb Minuten: Viel mehr vermag Popmusik wirklich nicht.

Ja darf der das denn? Mit zarten 29 Jahren ein an Bill Withers und die frühen Siebziger erinnerndes Epos wie den Song "Cold Little Heart" aus dem Album "Love & Hate" vorlegen? An den Beginn des gut zehn Minuten langen Liedes ein Pink Floyd huldigendes Intro setzen? Selbst brillant Gitarre spielen und dabei auch nicht auf einen guten Text vergessen? Und vor allem: Mit so einer Stimme singen? Er darf das alles, der Michael Kiwanuka. Und vor allem: Dieses Ausnahmetalent kann all das mit Bravour.

Die zauberhafte Kate Rusby, Folkfee aus Yorkshire (man höre ihren charmanten Akzent im Intro zum Video) ist eine wahrlich emsige Biene: 2016 legte sie mit "Life In A Paperboat" ihre bereits 14. Album vor. Das bewusst traditionelle Kleid ihrer Musik lockerte sie für den Ohrwurm "Only Desire What You Have" etwas auf, neben dem für sie typischen Instrumentarium ist da sogar ein Synthesizer zu hören. Das Wichtigste: Die unglaubliche liebenswerte Stimme der Britin, Ton gewordener Sonnenstrahl.

Iggy Pop, ein substanzenerprobter Gigant und nicht unbedingt der Gutelaune-Bär,  hat die "Post Pop Depression" - was in diesem Fall gut ist: Das neue Werk wurde eine erstaunlich kompakte Sache, mit schönen Melodien versehen und knackig produziert. "Chocolate Drops" ist ein Höhepunkt darauf, wenn auch nicht der einzige. "When Shit turns into Chocolate Drops" singt Iggy da - und räsoniert über das Leben und seine diversen Fallstricke. Wer, wenn nicht er..?

Es war die Leidenschaft zur Musik, die Henning May und seine Bandkollegen Christopher Annen, Severin Kantereit und Malte Huck vor einigen Jahren vom Klassenzimmer weg in die Fußgängerzonen von Köln führte. Heute sind die drei Jungspunde ein Begriff in der deutschsprachigen Musikszene. Geschuldet ist der Erfolg zweifellos der außergewöhnlichen Stimme des Frontmannes. Diese Stimmbänder klingen wie mit Schleifpapier behandelt, auch wenn das erste Studioalbum leider von der Marketingabteilung arg glatt gebügelt wurde. "Pocahontas" ist ein so simpler wie toller Song, am besten nachzuhören in jener Live-Version, die sie hier über dem Text finden.



Und jetzt zu etwas ganz anderem: Tycho ist das Projekt von Scott Hansen, einem amerikanischen Musiker, Produzenten und nicht zuletzt Grafikdesigner. "Epoch" komplettiert nach "Awake" und "Dive" die formschöne Trilogie. Elektronische Musik mit akustischen Akzenten, wunderschön und zum Abtauchen. Wer wissen will, wie es klingen mag, mit einem Hängegleiter sanft gen Sonnenuntergang zu fliegen und am fernen Horizont das Meer leuchten zu sehen, höre sich den Titel "Glider" an. Fabelhaft.

Hope Sandoval, natürlich, keinesfalls zu vergessen: Die einstige "Mazzy Star"-Sängerin meldete sich 2016 wieder mit ihren Warm Inventions zurück. "Until The Hunter" ist ein für sie so typisches, verträumtes, verwunschenes und versponnenes Album geworden. Schöne Gitarren ranken sich um diese ewige Mädchenstimme, die seit dem Debüt aus dem Jahr 1990 um kein Jahr gealtet zu sein scheint. "Salt Of The Sea" ist ein feines Dessert, mit dem sich ein zu langer Tage doch noch perfekt zu Bette legen lässt.

Eine Band, die man möglicherweise nicht mehr zwingend vorstellen muss. Die rollenden Steine, steinalt und steinreich, sind nach 55-jähriger Bandgeschichte wieder an ihren Wurzeln angelangt. "Ride 'Em On Down" stammt aus dem erfreulich puristischen Blues-Album "Blue & Lonesome" und wartet mit sensationeller Mundharmonika von Schlauchbootlippe Mick Jagger auf. Und im Hintergrund spielen sich Keith Richards und Ronnie Wood warm. Nein, stimmt nicht - die klingen ja immer so. 

Mogelpartie, die Erste: José González' letztes Album erschien bereits 2015, ist aber zu bezaubernd, um hier ausgeschlossen zu werden. Stellvertretend für den filigranen Folk des Schweden sei daher das um sich selbt kräuselnde "With The Ink Of A Ghost" angeführt. Ende Jänner wird der Musiker dann live in Wien zu bewundern sein.



Der Tod von David Bowie zu Beginn des Jahres war fraglos ein unermesslicher Verlust: Das Album "Blackstar" wurde zum Vermächtnis, darauf spielte der Brite ein letztes Mal seine außergewöhnliche Klasse aus. Ein besonderer Höhepunkt ist der Titel "'Tis A Pity She Was A Whore". Nach wuchtigem Schlagzeugeinsatz nimmt der Song weitere Fahrt auf, nicht ganz jugendfreier Text gesellt sich zu einem sensationellen Saxofon. Man darf gespannt sein, was noch in den Archiven des Meisters schlummern mag.


"A Gallant Gentleman" von We Lost The Sea erschien ebenfalls im Jahr 2015 - weil diese Delikatesse von Post Rock aber so gut ist, mogelte sie sich ebenfalls unter diese Liste. Die Australier zeichnen Klanggemälde von epischen Dimensionen, der Chor trägt sein Übriges bei. Musik mit der dringlichen Einladung zum Versinken.

Dass Nick Cave nach einem schweren privaten Schicksalsschlag überhaupt noch Töne fand und 2016 neue Musik vorlegte, ist erfreulich: "Skeleton Tree" aus dem gleichnamigen Album ist ein karger, laubloser Baum, durch den allerdings ein ferner Strahl der Hoffnung bricht. Eine dahingleitende, hypnotisierende Melodie, beinahe schon zu sanft für den Meister der Düsternis. Das letzte Stück auf einem bemerkenswerten Werk. Und ein würdiger Abschluss dieser kleinen Auswahl. Ein Dankeschön fürs Zuhören. Auf Wiedersehen.