Der Samstagabend in der Grazer Stadthalle war geprägt von Aufrufen zu zivilem Ungehorsam, Vorschlägen für ein friedlicheres Miteinander, der Lust am Leben und Rufen nach Gitti - gegossen in Noten und Strophen. Den Anfang machte der Protestlied-Veteran Hans Söllner im Kilt, der die rund 5000 Besucher in bewährt reduzierter und vehementer Manier daran erinnerte, dass blinder Gehorsam nicht immer angebracht ist und dass Vielfalt eine Gesellschaft auch bereichern kann, nicht nur bedrohen. Seine zielsicheren Spitzen gegen Horst Seehofer und andere Vertreter des "Establishments" durften auch diesmal nicht fehlen. In Anspielung auf seinen Kilt ließ Söllner wissen: "Ich trage einen Rock, weil ich eine Hose gar nicht so oft runterziehen kann, wie mich die Leute am A**** lecken können."
Nach einer ausgedehnten Pause erschienen die Herren Seiler und Speer, begleitet von vier Backgroundsängerinnen, sieben Musikern und einem Würschtlstand und wurden vom Grazer Publikum begeistert empfangen. Das Konzert begann mit der Nummer "Soits Lebn" standesgemäß laut und temporeich. Wo der Mitgröhlfaktor während der nächsten Lieder etwas nachließ, entfaltete sich eine bemerkenswerte Palette an Austropop-Spielarten. Das Duo hat sich mit Bühnen im Stadthallen-Format hervorragend arrangiert - ausgedehnte Soli, Schäkern mit dem Publikum und Konfetti-Kanonen inklusive. Neben dem G'stanzl und der Ballade koketierte man auch mit dem Schlager, webte Reggae- und Blues-Elemente ein.
Gesteuerte Eskalation
Das Gastspiel an der Mur bildete zugleich den Abschluss ihrer Tour. Einmal durfte es noch "richtig eskalieren". "Ich freu mich schon aufs Hamkommen", erzählte Christopher Seiler zwischen zwei Liedern. Die vergangenen Tage seien hart gewesen. "Also aufs Nachhausekommen, nicht auf das Lied. Auf das freu' ich mich nicht." Das Zumbestengeben ihres Gassenhauers ertragen die beiden mittlerweile nur noch. Freilich darf "Ham kummst" im Repertoire nicht fehlen, man kommt den Wünschen der Fans nach.
Tatsächlich überbrückten die Musiker die Zeit bis zur von vielen ersehnten, mit Doppel-Platin ausgezeichneten Hit-Single wunderbar kurzweilig. Etwa mit "Der letzte Schnee", "Es is koit", "I wü ned" und einem gemeinsamen Ständchen mit dem Söllner Hans. Eine Hommage an den großen Georg Danzer ("Ruaf mi net an") sorgte für Verzückung im Auditorium.
Die Drohungen, mit denen Christopher Seiler zuletzt konfrontiert war, weil er sich via Facebook-Video kritisch über einen Hofer-Wähler geäußert hatte, waren nicht mehr spürbar. Noch einen Tag davor beim Gig in Wien hatte sich der Künstler dazu geäußert. Zudem war das Konzert von massiver Polizeipräsenz begleitet. In Graz wirkte eine pyrotechnische Einlage auf der Bühne noch am Bedrohlichsten. Glücklicherweise.
Seiler und Speer und Söllner boten einen gelungenen, ausgelassenen Abend, dem es an nichts fehlte. Wem die Musik der eben genannten Musiker zu oberflächlich erscheint, dem sei gesagt: Es gibt viele Musikschaffende in den Charts, die weniger Substanz in ihren Liedern unterbringen.
Danke und jetzt schauts, dass ham kummts.
Matthias Reif