Seinen 70er am 1. Dezember feiert er an der Seite der Wiener Philharmoniker unter Tugan Sokhiev in seinem zweiten Wohnzimmer, dem Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, wo er auch tags darauf mit einer Feierstunde geehrt wird: Starpianist Rudolf Buchbinder. Aber in der Welt auch abseits von Wien und Grafenegg, wo er als Festivalleiter bis 2021 verlängert hat, ist der Österreicher Stammgast.
Der Pianist, einst mit fünf Jahren der jüngste Student, der jemals an der Wiener Musikhochschule aufgenommen wurde, ist heute einer der Stars des internationalen Konzertbetriebs. Geboren wurde der auch beim Eintritt ins neue Lebensjahrzehnt umtriebige Musiker am 1. Dezember 1946 im böhmischen Leitmeritz. Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte der hochbegabte Bub, der in Wien aufwuchs, bereits mit neun Jahren.
Eine kleine Kostprobe Buchbinders "Fingerfertigkeit":
Ab 1958 studierte er bei Bruno Seidlhofer, der auch Friedrich Gulda ausbildete. Als Pianist des Wiener Trios errang er 1961 den 1. Preis beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München. Zunehmend widmete er sich danach seiner Laufbahn als Solist. 1962 wurde er mit der Lipatti-Medaille ausgezeichnet, 1966 mit dem Van-Cliburn-Preis. Zu den weiteren Preisen zählten 1967 der 1. Preis beim Beethoven-Klavierwettbewerb und 1976 der Grand Prix du Disque für die Aufnahme sämtlicher Klavierwerke von Joseph Haydn.
Buchbinder ist von Natur aus gründlich und betreibt diese Gründlichkeit mit Leidenschaft. Das merken nicht nur Besucher seiner Villa in Wien-Döbling, wo er eine reiche VHS-, DVD- und CD-Sammlung sein Eigen nennt und sich Partituren, Platten und Bücher in strenger Ordnung über die Regale ziehen, auch dem Konzertbesucher entgeht Buchbinders Hang zum Kompletten nicht: Den kompletten Zyklus aller 32 Klaviersonaten Beethovens hat er bereits weit über 30 Mal gespielt, sein Livezyklus sämtlicher 27 Mozart-Klavierkonzerte mit den Wiener Symphonikern fand großen Beifall.
Gründlich pflegt der passionierte Sammler und Amateurmaler auch seine Konzertprogramme vorzubereiten. Bei der Quellenforschung kann er nicht zuletzt auf das eigene Archiv zurückgreifen. Buchbinder, der gelegentlich auch selbst dirigiert, verfügt u.a. über rund 30 Ausgaben der Beethoven-Sonaten und hat eine umfangreiche Sammlung von Erstdrucken und Originalausgaben. Sein Repertoire ist ungewöhnlich umfangreich und mit über 100 Platten- und CD-Einspielungen dokumentiert - wobei passend zum Geburtstag die beiden Brahms-Pianokonzerte bei Sony erscheinen, die Buchbinder mit Zubin Mehta und den Philharmonikern 2015 im Musikverein interpretiert hat.
Dabei zieht Buchbinder kurzes, hoch konzentriertes Arbeiten langwierigem Dauerüben vor, wie er anlässlich eines auch auf DVD und Blu-Ray dokumentierten Beethoven-Zyklus betonte: "Entweder es funktioniert sofort, oder es sind auch 20 Proben zu wenig."
2007 startete Buchbinder eine weitere Karriere: Als künstlerischer Leiter des Musik-Sommers und Musik-Festivals Grafenegg machte er das Festival innerhalb weniger Jahre zu einem Fixpunkt auf dem Kulturkalender und zu einem "Aushängeschild für das Bundesland Niederösterreich, und zwar weit über die Grenzen unseres Landes hinaus", wie Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) erklärte. Musikalische Weltstars kommen ebenso gerne wie das Publikum auf das malerische Schlossareal, in dem neben einem Auditorium mit der Freiluftbühne "Wolkenturm" auch ein architektonisches Wahrzeichen lockt. Und der neu etablierten Klassikinstitution bleibt der Gründungsintendant noch einige Zeit treu - hat Buchbinder seinen Vertrag doch erst in dieser Woche bis 2021 verlängert.
Buchbinder wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold und dem Goldenen Ehrenzeichen des Landes Salzburg. 2008, fünfzig Jahre nach seinem ersten Auftritt im Wiener Musikverein, wurde er zum Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde ernannt. 2011 erhielt er u.a. die Goldene Medaille des Ordens Gloria Artis, die höchste polnische Kultur-Auszeichnung.
Auch der ORF würdigt den Jubilar mit umfangreichem Programm: Die "matinee" am Sonntag, dem 4. Dezember zeigt zunächst das Porträt "Rudolf Buchbinder - Auf der Suche nach Vollendung" (ORF 2, 9.05 Uhr) von Thomas Macho, anschließend folgt um 9.50 Uhr Brahms Klavierkonzert Nr. 2 mit den Wiener Philharmonikern. Tags zuvor bereits, am 3. Dezember, zeigt 3sat um 20.15 Uhr die Musikvereinsaufzeichnung vom Auftritt Buchbinders mit den Philharmonikern unter Zubin Mehta mit Brahms' Klavierkonzert Nr. 1 im Vorjahr.
Auch das Radio schließt sich dem Gratulationsreigen an, wenn Ö1 unter dem Titel "Aus der Tiefe des Klaviers heraus" am Geburtstag (1. Dezember) ab 15.05 Uhr eine Aufzeichnung aus Grafenegg von Franz Schuberts Klaviertrio Nr. 1 ausstrahlt, bevor am 8. Dezember (11.03 Uhr) der jüngste Auftritt Buchbinders mit dem Philharmonikern unter Sokhiev am Freitag zu hören ist. Und schließlich sendet Radio Niederösterreich am 1. Dezember eine eigene "Klassik am Abend" (ab 21 Uhr) zu Ehren des Jubilars. "Rudolf Buchbinder ist eine der bedeutendsten österreichischen Künstlerpersönlichkeiten der Gegenwart", begründete ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz via Aussendung das Engagement.