Wir sind wieder wer - und wie es sich für das österreichische Selbstverständnis gehört, definiert sich das natürlich nur über außen: Ob Spiegel oder FAZ, Süddeutsche oder Musikexpress, fast alle Feuilletons und Musikzeitschriften schreiben eine Renaissance des Austropop herbei. Zur Erinnerung: die totgesagte - und vielleicht gar totgespielte - "in Österreich weltberühmte" heimische Popmusik. Die alten Hadern vom "Zentralfriedhof", dem "Nackerten im Hawelka" oder der "Strada del Sole", die von Ö3 nur noch mit Glacéhandschuhen angegriffen werden - sehr zum Leidwesen der seit Jahren lautstark protestierenden Interpreten.

Doch, um es mit Rainhard Fendrich zu singen: "Dei' hohe Zeit ist lang vorüber" - denn auch wenn sich der Austropop in der Nostalgie-Disco ungebrochener Beliebtheit erfreut und die Konzerte von EAV, Ambros, Cornelius, Werger & Co. nach wie vor voll sind: Revolutionen wurden in den letzten 30 Jahren keine vom Zaun gebrochen.

Bilderbuchkarriere

Und plötzlich: Bilderbuch stürmen mit ihrem Album "Schick Schock" auf Platz eins der Charts, schaffen es auch in Deutschland bis auf 14 - und mit ihrem Song "OM" auf den letzten "Bravo Hits"-Sampler. Auch Wandas wenig österreichisch klingender Longplayer "Amore" erreichte Goldstatus. Die Wiener stellten bei den Amadeus Austrian Music Awards - die übrigens heuer ebenfalls vom Aufschwung der österreichischen Musikszene profitierten - mit fünf Nominierungen sogar Österreichs derzeit wichtigsten Exportartikel am Musikmarkt, Andreas Gabalier, in den Schatten.

Für beide Bands markierte 2015 einen rasanten Aufschwung: Die vor zehn Jahren am Klostergymnasium Kremsmünster gegründeten Bilderbuch waren bis Herbst 2013 mit durchschnittlichem Indie-Rock kaum aufgefallen. Seit sie für ihr neues Album "Schick Schock" ihren Stil radikal in eine Mischung aus Art-Rock, HipHop, Funk und Popzitaten änderten, sich einen neuen Look verpassten und selbstbewusst mit großen Pop-Posen auftraten, füllen sie Hallen im gesamten deutschen Sprachraum und sind im Sommer für große Festivals gebucht. Großes Vorbild für ihr Posing: die Exaltiertheit eines Falco. "Wir lieben Falco, und wir brauchen ihn, um aus diesem Moloch der österreichischen Musikszene rauszukommen. Weil wir mit ihm wenigstens mal einen hatten, aus dessen Schatten man endlich treten muss", sagte Sänger Maurice Ernst dem "Spiegel".

Die 2012 in Wien gegründeten Wanda waren sogar völlig unbekannt: "Amore" ist ihr Debütalbum - das "Focus online" etwa gleich den "Geniestreich des Jahres" nannte. Und das, quasi aus dem Nichts, auch den mit Abstand größten Hit für die kleine Indie-Plattenfirma "Problembär Records" markierte, die sich nun plötzlich im Epizentrum des Austropop 2.0 befindet.

Das neueste "Problembär"-Projekt: das Duo Worried Man & Worried Boy, eine Familiensache. Der Vater: Herbert Janata von der Worried Man Skiffle Group ("Glaubst i bin bled", 1970). Der Sohn: Sebastian Janata, Schlagzeuger bei den in Berlin lebenden Burgenländern Ja, Panik, die mit von Dylan und Falco beeinflusstem Diskurspop lange vor dem Hype von deutschen Kritikern bejubelt werden.

Schludrig, schön

Einen weiteren "Problembären", Nino Mandl alias Der Nino aus Wien, haben FM4-Hörer schon länger am Schirm: Der Wiener wurde 2010 mit dem schludrig-schönen Song "Du Oasch" bekannt. Auch er bekennt sich als Austropop-Fan: deutlich zu hören an seinem an Heller und Ambros geschulten "zwideren" Wienerisch - und auf dem neuen Cover-Album "Unser Österreich", für das er sich mit Liedermacher Ernst Molden zusammengetan hat. Ihre Versionen von Danzer, Maron, Hirsch und Falco schafften es in den österreichischen Verkaufscharts bis auf Platz drei.

Den Wienern Kreisky widmete die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine große Studio-Reportage von den Aufnahmen zum Album "Blick auf die Alpen". Sänger Franz Adrian Wenzl lebt seine Liebe zum Austropop auch abseits von Kreisky aus: Als Austrofred singt er Austropop-Texte zu Queen-Melodien vom Band - wie "Die Blume aus dem Gemeindebau" zu "Crazy Little Thing Called Love".