Wer muss denn in Führung gehen?

Gerald Mandl: Niemand muss in Führung gehen. Es geht um das ständige nach vorne Hetzen ohne Rücksicht auf Verluste. Der Song thematisiert eine gewisse Form von Egoismus, die viele Leute in sich haben.

Ihr wollt also nicht nur Musik machen, sondern auch eine Botschaft vermitteln. Glaubt ihr, dass die beim Publikum ankommt?

Gerald Mandl: Die Leute singen zumindest jede Zeile mit. Man hört auf unsere Texte, das steht außer Frage.

In eurem neuen Album scheint sich der Schwerpunkt dennoch auf die Musik zu verlagern.

Florian Zwietnig: Ja, die Musik ist breiter gestreut als auf den Vorgängeralben. Wir haben sogar ein reines Instrumentalstück aufgenommen. Neben Punk und Clubmusik gibt's jetzt auch spacigere Elemente, ein bisschen Krautrock, der Text ist deshalb aber nicht in den Hintergrund getreten. Die Musik ist einfach vielfältiger geworden, das verträgt sich auch ganz gut.

Ihr tretet jetzt mit einem Schlagzeuger auf. Wieso habt ihr beschlossen, euch zu verstärken?

Gerald Mandl: Es war schon lange ein Wunsch von uns eine Platte mal ein bisschen Band-lastiger zu gestalten und dann damit auf Tour zu gehen. Diesen Wunsch haben wir uns jetzt erfüllt. Auch das Material auf der neuen Platte hat da gut dazugepasst. Das spielt natürlich immer eine Rolle.

Wie passiert das Songwriting, was inspiriert euch?

Gerald Mandl: Du musst mit offenen Augen durch die Welt laufen. All die Sachen die uns ankotzen werden thematisiert.

Immer wieder spielt Gruppenzwang eine Rolle in euren Songs, auch Prokrastination. Inwiefern betreffen euch diese Themen persönlich?

Florian Zwietnig: (lacht) Ja, Prokrastination kennen wir gut. Wir schieben Probleme einfach solange auf, bis sie nicht mehr da sind. Nein, im Ernst, das ist ein langwieriger und anstrengender Lernprozess. Man muss ja zuerst mal draufkommen, dass man ein "Aufschieber" ist. Das kann man ja auch aufschieben, das Denken daran.

Gerald Mandl: Dazu gibt's ja auch schon Bücher, das ist mittlerweile eine eigene Lebenseinstellung.

Wie weit beschäftigt ihr euch mit der Materie. Lest ihr euch richtig in ein Thema ein, oder kommt mehr aus dem Bauch?

Gerald Mandl: Da kommt immer viel aus dem Bauch. Unsere Texte haben meistens einen starken autobiografischen Touch. Thematisiert wird, was aus unserem Inneren kommt und von außen verstärkt wird.

Es scheint, ihr wärt ein wenig ernsthafter geworden.

Florian Zwietnig: Bei diesem Album auf jeden Fall. Wir haben viel Feedback bekommen. Was die Leute in uns sehen, dieser extreme Spaßfaktor, damit identifizieren wir uns nicht so sehr. Das wollten wir so auch nie. Für uns standen immer Musik und Message im Vordergrund, deshalb ist das neue Album auch vielfältiger geworden. Das ist eine klare Ansage. Was wir bisher gemacht haben sehen wir nicht als unser Genre.

Leistet ihr Pionierarbeit?

Florian Zwietnig: Klar, haben wir immer schon. Jede Band, die unterschiedliche Stile mischt und experimentierfreudig ist, leistet Pionierarbeit. Das passiert ja auch nicht so häufig. Zumeist gibt's klare Gliederungen, Bands bewegen sich innerhalb eines Genres. Die Medien forcieren dieses Schubladendenken ja auch. Aber in den letzten zehn Jahren kamen immer mehr Leute, die diese Grenzen überschreiten und sprengen wollten. Wir zählen uns da dazu. Erlaubt ist, was gefällt.

Gerald Mandl: Die Kernkombination von Musik und Text ist ja gleichgeblieben. Wir sind ja immer noch die Mediengruppe mit unserem eigenständigen Sound. Wir haben diesen Sound einfach weiterentwickelt, entsprechend unserem Wunsch nach Veränderung. Wir waren immer progressiv. Mit einem Stück wie "Kommanda" haben wir uns über das Bierzelt lustig gemacht, bis wir gemerkt haben, dass wir selber im Bierzelt stehen und spielen. Deshalb wollen wir weiterkommen und uns nicht in der Endlosrille drehen.

Heute spielt ihr in Graz euer viertes Konzert auf der Tour. Wie läuft es bislang?

Gerald Mandl: Sehr gut, wir haben Spaß auf der Bühne. Die Tour läuft noch zwei Wochen, danach spielen wir nur noch an Wochenenden bis Anfang Dezember. Im Winter haben wir Pause.

Florian Zwietnig: Ja, bisher geht's uns gut. Mal sehen wie das in zwei Wochen aussieht. Erfahrungsgemäß kriechen wir dann eher am Zahnfleisch daher. Nach zwei Drittel der Tour kommt immer ein Tiefpunkt, dann geht's wieder besser.

Wie schafft man es, dem Publikum eine gleichbleibende Qualität zu liefern?

Florian Zwietnig: Ach, das schafft man immer, nur die restliche Zeit schafft man gar nichts mehr.

Gerald Mandl: Das ist wie ein ständiger Standby-Modus. Für eineinhalb Stunden aktiviert man sich, dann fällt man wieder zurück in Standby.

Florian Zwietnig: Man muss aber auch sagen, dass es nicht so anstrengend ist wie sich das Viele vorstellen. Da gibt's noch ganz andere Touren. Unsere ist ja relativ kurz.

Stichwort "Provokation": Habt ihr das neue Rammstein-Video gesehen?

Florian Zwietnig: Nein, worum geht's da?

Die aktuelle Single heißt "Pussy", dazu gibt's einen äußerst freizügigen Clip. Auf dem Album soll auch ein Song über Josef F. sein. Ist da eine Grenze erreicht?

Gerald Mandl: Ach ja, hab ich gehört. Die wollen doch immer nur aufregen. Da dann was über den F. zu machen ist echt billig. Aber mit Porno oder Deutschtümelei kann man nicht mehr provozieren.

Womit kann man noch provozieren?

Florian Zwietnig: Mit Kindesmissbrauch sicherlich noch. Ansonsten regt ja nicht mehr viel auf.

Ihr habt ja längere Zeit getrennt voneinander gewohnt. Wie hat da die Zusammenarbeit funktioniert? Was hat sich seither verändert?

Gerald Mandl: Wir hatten wahnsinnig hohe Telefonkosten, pflegten eine heiße Leitung zwischen Berlin und Wien. Daten haben wir über FTP-Server ausgetauscht. Heute ist das wieder einfacher. Wir haben jetzt auch ein eigenes Studio in Berlin.

Gefällt euch Graz?

Florian Zwietnig: Ja, wir waren schon ein paar Mal hier. Ihr habt hier doch dieses fantastische Spring-Festival. Ich hab schon viel davon gehört. Da würden wir gerne spielen, vielleicht klappt das mal.

Gerald Mandl: Und das Elevate-Festival gibt's auch noch.

Wie geht's weiter mit der Mediengruppe Telekommander?

Gerald Mandl: Wir möchten noch mehr ausprobieren. Wir wollen reine Punkkonzerte geben, aber auch reine Elektro-Gigs. Wir wollen in Riesenclubs genauso spielen wie in Garagen vor 50 Leuten.

Florian Zwietnig: Und dann kommen ohnehin wieder die Festivals im Sommer. Wir werden weiterarbeiten und sehen, wie lange wir für ein viertes Album brauchen, aber wir machen uns keinen Stress. Und vielleicht gibt's ein Wiedersehen im nächsten Frühling.

Wir danken für das Gespräch!