Ihren Status einer Rock-Macht, ja sogar einer Rock-Instanz, hätten Pearl Jam allein mit dem "regulären" Teil ihres Konzertes am Mittwoch in Wien untermauert. Aber was die Band aus Seattle am Ende zu bieten hatte, war eines der furiosesten, phänomenalsten Finale, das die Besucher in der - gestern prall gefüllten und daher ausverkauften - Stadthalle in dieser Stilrichtung je miterleben durften.

Pilgerfahrt mit Ganzkörpererfahrung

Zu Pearl Jam zu gehen, ist wie eine Pilgerfahrt, eine Ganzkörpererfahrung, eine Reise in den Rock 'n' Roll mit all seinen Facetten: Punk, Hardrock, Pop-Anleihen, einen Schuss Blues, Kracher, Balladen, Hymnen, wunderschön zum Mitsingen, bei Bedarf aber auch zum Fäusteballen, um gegen das Establishment anzuschreien - all das bietet die Musik der Formation, die irgendwann einmal unter Grunge firmierte, aber heute längst nicht mehr in eine Ecke zu drängen ist.

Der Funke zwischen den Akteuren auf einer gediegen gestylten Bühne mit Hängelampen, auf denen irgendwann Sänger Eddie Vedder herumturnte, und dem Publikum musste nicht überspringen, beide Seiten standen sofort unter Strom. Dabei hatte Vedder - wie er erzählte - den Saal beim Soundcheck noch als den tontechnisch "schlimmsten oder zweitschlimmsten Ort", an dem er je gewesen ist, empfunden.

Recht ruhig startete man das Gastspiel mit "Long Road", einer eindringlichen, von Vedders fantastischer Stimme getragenen Ballade, entstanden 1995 mit Neil Young und auf keinem Album enthalten. Vedder bezeichnete Young, der am 23. Juli am selben Ort mit seiner Garagenband Crazy Horse Krach machen wird, später im Programm als "unseren Onkel", dem man von "seinen Neffen" ein "Hallo" ausrichten möge. Aus dem Repertoire des unermüdlichen Verwandten (zumindest in der Attitüde ist er tatsächlich ein solcher) gab der Frontman solo an der akustischen Gitarre "The Needle And The Damage Done" zum besten, im allerletzten Zugabeteil mit seinen Kollegen das zornige "Fuckin' Up".

Und auch wenn sich "Rain" von den Beatles wunderschön an das hymnische "Amongst The Waves" schmiegte ("Don't jump ship!", appellierte Vedder sinnbildlich, die eigene Lebenseinstellung nicht zu verraten und die Seite zu wechseln), "Public Image" von PIL nach einem aggressiven "Rats" fetzte und im bereits erwähnten Über-Finish auch noch "Baba O'Riley" von The Who würdevoll interpretiert wurde, gab es da doch auch die eigenen, ganz großen Lieder. Etwa "Black", bei dem zuerst Vedders Stimme, dann die Gitarre von Mike McCready abhob und in andere Sphären entschwebte. Oder das rohe, erdige "Why Go", die aggressiven Punk-Nummern "Spind The Black Circle" und "Mind Your Matters" (vom aktuellen Werk "Lightning Bolt").

Zum Abschluss "Alive"

Eine schwierige Aufgabe, einzelne Höhepunkte unter den 35 Stücken (in rund drei Stunden) hervorzuheben. Aber "Even Flow", episch mit einem in alle Richtungen mäandernden Gitarrensolo, und das wuchtige, dringliche, laute "Rearviewmirror" könnte man anführen - ebenso wie das mit Blues-Harp begleitete, melancholisch angehauchte "Smile". Ganz große Klasse hatte der komplett bei Saallicht gebrachte Schlussteil mit einem packenden "Alive" im Zentrum des Hurrikans, bei dem nicht auszumachen war, wer mehr Freude an der Darbietung hatte: die Fans oder Pearl Jam. "Oh Fuck!", entfuhr es Vedder - eine gute Zusammenfassung des Abends in zwei Worten.