Christian Ruschitzka ist Bildhauer. In seiner Werkstatt an der Universität für Angewandte Kunst in Wien steht schweres Gerät, zum Schweißen, Sägen, Schmieden. An der Wand hängen Schutzbrillen und grobledernes Arbeitsgewand, im Schrank lehnen Eisenstangen und Hölzer. Ruschitzka will zeigen, wie er die Model zum Druck der Titelseiten der Kleinen Zeitung gefertigt hat. Weil kein Messer zur Hand ist, schleift er kurzerhand einen zarten Meißel für seine Zwecke um, klemmt ein Brett in den Schraubstock und beginnt gemächlich zu arbeiten.
Hindernisse bringen den Mann nicht aus der Ruhe, Zeitaufwand schreckt ihn nicht. Oft ist Zeit das zentrale Element seiner Arbeit. Der große Aufwand adelt, was sonst gering scheinen könnte. Vor Jahren flog er nach Island, steuerte einen Kahn zu treibenden Eisbergen, montierte zwei Ruder an den Rändern des größten und bewegte den Koloss unmerklich aus seiner von der Strömung bestimmten Bahn. Ein minimaler Eingriff in den Gang der Welt, ein Symbol für die Grenzen menschlichen Wirkens, ein melancholisches und absurdes Bild der Vergeblichkeit.
Ein anderes Mal fror er im alten Kühlhaus nahe seinem Atelier im burgenländischen Oberdrosen mit Strom aus Sonnenenergie Wasser zu Eisblöcken. Gemeinsam mit Studierenden und Professorenkollegen schleppte der Steirer dann die schweren Klötze in isolierten Holzkisten zum Gaisbergferner in den Ötztaler Alpen hinauf. Hier ließ er die "Zuchtgletscher" aus dem Tal "auswildern", wie man das sonst mit Tieren tut. Nun waren sie der schmelzenden Sonne preisgegeben, wie der große Gletscher auch. "Das Unaufhaltsame zumindest einen Moment lang stoppen" war seine Intention, sagt er, ironisch und ernst zugleich.
Kaum weniger aufwendig zerstückelt der Freund alles – handwerkliche Möbel, Kinderwagen, landwirtschaftliches Gerät oder gar Wohnwagen in ihre Einzelteile. Die Fragmente fügt er zu neuen Formen zusammen, kompakt, rätselhaft, nutzlos und doch schön. Ebenso zweckentfremdet treiben in Ruschitzkas Trophäen für den Weinpreis der Kleinen Zeitung farblich verfremdete Weinsetzlinge in Formalin. In den Glaszylinder ließ er die Namen der Sieger ätzen – ein zerbrechlicher Triumph.
Jetzt also Ostern. Schon in jungen Jahren hatte ihn das Fest mehr interessiert als das kindgemäßere Weihnachten. Vom Osterfeuer brachten die Buben "Weichfeuer" mit nach Hause. So nennt man am Semmering, wo Christian Ruschitzkas Elternhaus steht, geweihtes Feuer. Damit heizte seine am Karfreitag des Vorjahres verstorbene Mutter den Herd an, um die Osterspeisen zu kochen, erzählt er. Neuanfang.
Das Ende seiner Ostertrilogie auf der heutigen Titelseite markiert in leuchtendem Grün auch einen Neubeginn. Alpha, der erste Buchstabe des griechischen Alphabets, bezeichnet für Ruschitzka den Aufbruch nach dem Tod, den "Anfang von etwas nicht mehr Greifbarem", aber auch der Geschichte der Kirche mit ihren Licht- und Schattenseiten. Am Karfreitag hatte er das Omega, den letzten griechischen Buchstaben, blutrot auf die Titelseite gesetzt. Jesus hatte den Universalanspruch an die Menschen umgekehrt formuliert: "Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende." Osterkerzen tragen diese beiden Buchstaben.
"Weg ins Ungewisse"
Einen "Weg ins Ungewisse" nennt Ruschitzka, was nachher kommt. Was das sein kann, mag sich der Sechzigjährige nicht vorstellen. Es könnte auch gar nichts sein. Umso wichtiger ist ihm das Vorher, die Verantwortung für das eigene Leben, die nicht auf Gott oder sonst jemanden abzuschieben ist. Über mehr zu reden, wehrt er ab, aus Angst vor "Verengungen". Groß ist die Skepsis dieses Künstlers der Mehrdeutigkeiten gegenüber schweren Worten und Begriffen. "Ich bin nicht sicher, dass ich an Gott glaube, wie er mir präsentiert wird, weil ich das nicht wörtlich nehmen kann."
Die Osterintervention, deren Model der gelernte Schmied und Bildhauer aus Lindenholz geschnitzt hat, kreist um den Begriff des Paradieses. Einst stand das Wort "für die Belohnung für das anständige Leben", sagt er. Das hat sich verschoben. Nun sprechen wir von hier und jetzt erreichbaren Paradiesen, von sofort Konsumierbarem. Momentan arbeitet der Künstler an einem Projekt über die Flucht aus Afrika in untauglichen Schiffen auf der Suche nach irdischen Paradiesen, die die Fliehenden in Europa vermuten. "Das Paradies ist nicht mehr an seinem Platz, ist immer unterwegs."
Die drei Titelseiten rufen wieder das ursprüngliche Versprechen in Erinnerung.
Thomas Götz