"Ich sehne mich nach den wenigen Menschen, die ich lieb habe. Die sehr fern sind und manchmal an mich denken." Ruth Maier war kaum 20, als sie diese Zeilen in ihrem Tagebuch notierte. Ein Tagebuch, das uns heute nicht nur viel über die Person, sondern auch über die Zeit erzählt, in der es entstanden ist: Mit zwölf Jahren beginnt sie zu schreiben und es endet knapp vor ihrem Tod im Alter von 22 Jahren im KZ Auschwitz.
Filmemacher Robert Gokl in der heutigen "Menschen & Mächte"-Doku (Mittwoch, 7. Dezember, ORF 2, 22.30 Uhr) tief in das Leben der Wienerin ein, die den Naziterror hautnah miterlebt hat und mit 19 Jahren allein nach Norwegen flüchten musste. "Die Texte haben so viel Gehalt, so viel Stärke, dass sie in einer puren und reduzierten Form für Menschen von heute einen hohen Beklemmungs- und Berührungsfaktor haben", erklärt Gokl im Gespräch, der von der Sprachmächtigkeit Maiers, aber auch von ihrer Reflektiertheit tief beeindruckt ist. Schauspielerin Martina Ebm leiht im Film Ruth Maier, deren Tagebücher zum Unesco-Weltdokumentenerbe zählen, ihre Stimme und begibt sich auf ihre Spuren.
Eine intensive Reise, die nicht nur für Gokl ein Beitrag dazu ist, jene österreichischen Zeitzeugen in unserem Bewusstsein zu verankern, deren Biografien zu verblassen drohen. Fast hätte die Welt nie von Maier, die auch als österreichische Anne Frank bezeichnet wird, erfahren. Dass ihre Geschichte an die Öffentlichkeit gelangte, ist dem norwegischen Lyriker und Musiker Jan Erik Vold zu verdanken. Er fand die Tagebücher im Nachlass von Ruth Maiers Freundin Gunvor Hofmo, erst im Jahr 2007 wurden sie im Mandelbaum Verlag veröffentlicht.