Die von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann angekündigte Reduzierung des Textangebots auf ORF.at stößt dem ORF-Publikumsrat sauer auf. Bei einer Sitzung des ORF-Gremiums am Donnerstag äußerten mehrere Räte ihren Unmut darüber. Weißmann betonte, die "blaue Seite" nicht schwächen zu wollen, sondern in Richtung Bewegtbild weiterzuentwickeln. "Ich bin der Meinung, wir werden keinen einzigen Leser weniger haben", sagte er.
"Es wird sich niemand über die Angebote des ORF aufregen können. Sie werden weiterhin sehr gut sein", so Weißmann. Als Wegweiser für die Zukunft von ORF.at steht "Topos" im Raum. Es ist ein ursprünglich für den ORF-Player geplantes Modul, das Weißmann als "multimediales Feuilleton" mit Bewegtbild, Audiofiles und Text aus den Bereichen Kultur, Religion und Wissenschaft beschrieb. Den Start kündigte der ORF-Chef für Montag, 28. November, an. "Topos" wurde von der KommAustria bereits genehmigt. "Wir bewegen uns hier nicht im rechtsfreien Raum", so Weißmann. Für eine Digitalnovelle des ORF-Gesetzes werbe man trotz dieses Schritts in Richtung digitaler Raum aber nach wie vor.
Thema im ORF-Publikumsrat war auch der ORF als Auftraggeber für die österreichische Kreativ- und Filmwirtschaft. Geladen war etwa Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Obmann des Fachverbands der Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer. Er bezeichnete den ORF als wichtigsten Partner und "unglaubliches Schaufenster". Daher wünsche man sich auch, dass erfolgreiche österreichische Kinofilme öfters zur Primetime ausgestrahlt werden – und nicht zu später Stunde, wie gegenwärtig oft der Fall. Den ORF lädt er ein, bei der Nachwuchsförderung der Branche zur Seite zu stehen. Jahrelang habe es einen Braindrain gegeben. Mit der kommenden neuen Film- und Fernsehförderung werde sich das umdrehen, vermutete Dumreicher-Ivanceanu. Es drohe nun ein Fachkräftemangel.
"Absolut an der Seite des ORF" stehe man bezüglich der geplanten Neugestaltung des ORF-Gesetzes und der Neuregelung seiner Finanzierung, so Dumreicher-Ivanceanu. Ähnlich sieht das Andreas Kamm, Geschäftsführer von MR-Film. Er wünscht sich, dass aufwendige Produktionen wie "Vienna Blood", "Tage, die es nicht gab", "Schnell ermittelt" oder "Vorstadtweiber" vom Publikum nicht nur für sieben Tage in der ORF-TVthek abgerufen werden dürfen.
Keine Kürzung, sondern Valorisierung
Zudem pochte Kamm auf langfristige Planungssicherheit. "Das kann in Österreich nur der ORF leisten. Die Produzentenlandschaft lebt und stirbt mit dem ORF." Der ORF hat sich derzeit zu einem Investitionsvolumen von 310 Millionen Euro in die heimische Film- und TV-Wirtschaft für den Zeitraum 2022-2024 verpflichtet. "Diese Gelder sollten nicht gekürzt, sondern valorisiert werden", so Kamm mit Verweis auf steigende Produktionskosten. Auch Dumreicher-Ivanceanu plädierte für eine Valorisierung. Die rund 100 Millionen Euro an Investitionen pro Jahr machen rund zehn Prozent des ORF-Umsatzes aus. Kamm wünscht sich eine Anhebung auf 20 Prozent.
ORF-Chef Weißmann bezeichnete die Zusammenarbeit mit der heimischen Film- und TV-Wirtschaft als "vorbildhaft, innovativ". "Wir bringen Österreich in die Welt hinaus", meinte er. Dabei achte man auf jeden Euro. Die Valorisierungswünsche vonseiten der Produzenten verstehe er. Der Spielraum des ORF sei hier aber begrenzt.
Sorgenfalten bereitet dem ORF-Generaldirektor, dass die Finanzierung des ORF ab 2024 unklar ist. Hintergrund ist, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die sogenannte Streaminglücke als verfassungswidrig erkannte. Die derzeitige GIS-Gebühr könnte nun bis Ende 2023 auf weitere Geräte wie Laptops erweitert, eine Haushaltsabgabe eingeführt oder der ORF aus dem Bundesbudget finanziert werden. Eine Lösung und wie diese sich auf die finanziellen Mittel des ORF auswirkt, ist noch nicht vorhanden.
Weißmann: "Wir sind weiterhin gerne Partner"
"Wir sind gerne weiterhin Partner für die Film- und TV-Wirtschaft, aber können das nur sein, wenn man uns die Möglichkeit dazu mit einer nachhaltigen Finanzierung gibt", so Weißmann, der alle Partner aufforderte, sich dafür einzusetzen. Erst unlängst habe er ein Gespräch mit Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) zur künftigen Finanzierung des ORF geführt. Es sei ihm signalisiert worden, dass die relevanten Player in der Medienpolitik verstanden hätten, dass es sich für den ORF um eine zeitkritische Situation handle. Bis März 2023 erhofft sich Weißmann Klarheit über die künftige Ausgestaltung der ORF-Finanzierung, um gegebenenfalls größere Änderungen bis Ende 2023 umsetzen zu können.
Lisa Zuckerstätter, Leiterin Access Services im ORF, gab im Rahmen der Publikumsratsitzung Einblick zum Stand der Barrierefreiheit des ORF-Angebots. Ein Aktionsplan sieht vor, den Anteil von barrierefreien Inhalten kontinuierlich zu steigern. Bis 2025 sollen etwa 51,3 Prozent aller Sendungen mit Untertitel verfügbar sein. Die Audiodeskription-Quote soll in drei Jahren knapp sieben Prozent ausmachen (derzeit grob sechs Prozent). Ein Schwerpunkt bezüglich Barrierefreiheit liegt auf Hauptabendsendungen, Kindersendungen und Informationssendungen.
Martin Ladstätter, Obmann des Vereins "Bizeps" und ORF-Publikumsratsmitglied, freute sich, dass mittlerweile Bewegung beim Thema Barrierefreiheit zu bemerken sei. Man dürfe aber nicht vergessen, dass bei einer Untertitelungsquote von 50 Prozent nicht unbedingt jeder motiviert sei, auch 100 Prozent der Gebühren zu zahlen. Auch verwies Ladstätter auf die BBC, die fast ihr gesamtes Programm untertitelt.