Stein des Anstoßes war ein Interview, das Thurnher dem "Standard" gab. Nun lässt Weißmann mitteilen: "Ö1 und FM4 werden auch weiterhin die breite Plattform für österreichische Kunst und Kultur sein." Im Interview antwortete Thurnher danach gefragt, ob FM4 ein junges Ö3 werden könnte: "Vielleicht wird es das. Das weiß man nicht." Die FM4-Community wolle man nicht verlieren. Aber die Frage sei nur: "Brauchen die ein 24/7-Angebot oder hören die nur abends FM4? Kann der Sender nicht verschiedene Zielgruppen zu unterschiedlichen Zeiten bedienen?", so Thurnher. In Hinblick auf Ö1 sagte sie: "Natürlich hat Ö1 als Info- und Kultursender auch eine Aufgabe als Kulturproduzent. Das ist eine wirkliche Funktion von Ö1, die wir nicht aufgeben dürfen. Aber vielleicht geht nicht mehr alles, was bisher gegangen ist." Nun will Thurnher die Ergebnisse einer Audiomarkt-Studie abwarten. Sie soll Aufschluss darüber geben, "mit welchen Zielgruppen wir wo hineingehen". Erst dann könne man Entscheidungen treffen, mit welchen Angeboten man wo vertreten sei.
Auch ist Ö1 laut "Standard" mit Sparvorgaben von rund 900.000 Euro konfrontiert. Welche Maßnahmen diesbezüglich genau getroffen werden, stehe aber noch nicht fest, so die Radio-Direktorin. Einsparungen bei Ö1 sollen sich vor allem auf weniger gehörte Sendungen und programmliche Randzonen beschränken. Gleichzeitig habe man sich vorgenommen, Programminnovationen in der Radio-Primetime umzusetzen.
Prominente Unterstützer
Der offene Brief an die ORF-Geschäftsführung ist unter anderem von Bilderbuch, Wanda, Dirk von Lowtzow sowie Kunst- und Kulturgrößen wie Josef Hader, Veronika Franz, David Schalko, Nikolaus Ofczarek, Verena Altenberger, Thomas Stipsits, Michael Ostrowski und Ulrich Seidl unterzeichnet. Sie fordern, Gebührengelder für Bildung, Kunst und Kultur zu investieren. Dies sei jedoch keine Absage an Veränderungen. "Dies ist die Aufforderung, diese nach öffentlich-rechtlichen und kulturellen statt nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien umzusetzen." Auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch hielt in einer Aussendung fest, dass es ein klares Bekenntnis der ORF-Führung zum öffentlich-rechtlichen Auftrag der ORF-Radioflotte brauche. Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren forderte, "sämtliche Pläne einzustellen, die den Weiterbestand von Ö1 gefährden".
ORF-Chef Weißmann hielt schriftlich gegenüber der APA fest, "selbstverständlich" die Kritik der namhaften Kunstschaffenden "sehr ernst" zu nehmen. "Es ist unser Auftrag und Anspruch, der heimischen Kreativszene als Auftraggeber, Plattform und Multiplikator zu dienen", so Weißmann. Der öffentlich-rechtliche Auftrag und der Umfang der ORF-Radioangebote stehe in keiner Weise zur Disposition. Auch entbehre eine aus den Aussagen falsch abgeleitete Kommerzialisierung der ORF-Radioflotte jeder Grundlage. "Eine wirtschaftliche und sparsame Gebarung ist allerdings auch und gerade für den ORF als überwiegend öffentlich finanzierte Institution eine Notwendigkeit", merkte der ORF-Generaldirektor an. Ziel sei es, die Radioflotte des ORF in die digitale Welt zu transformieren, sie in Einklang mit den sich ändernden Hör-Möglichkeiten und -Gewohnheiten unserer Hörerinnen und Hörer zu bringen und zu optimieren.
Er bemängelte eine "sehr verkürzte, polemische Darstellung" bzw. freie Interpretation Thurnhers Aussagen. So ist im offenen Brief von FM4 als "ein Art Ö3 für Junge" und Ö1 als "eine Art CNN Radio für Arme" zu lesen. Er lädt die Unterzeichnenden des Briefs ein, sich aktiv und konstruktiv und ohne Polemik an den Überlegungen für die Zukunft der Radioflotte zu beteiligen.