Erstmals seit Corona lassen sich Publikumszahlen für Österreichs Massenmedien nicht bloß wie Äpfel und Birnen vergleichen. Das aber ist oft der Fall, wenn Zeitungen, Radio und Fernsehen dem Datenvergleich mit digitalen Angeboten ausgeliefert werden. Denn für Print und linearen Rundfunk ist die Tagesreichweite der Maßstab (neben Auflagen und  Marktanteilen). Für Online hingegen werden durchwegs Nutzer pro Monat genannt. Der Unterschied zur Zahl der täglichen Unique User (UU) ist riesig. So reduziert sich beim ORF der Monatswert von 5,1 auf 1,6 Millionen.

Die Tagesdaten wurden aber wegen einer Methodenumstellung seit 2019 nicht mehr bekannt. Erst für das vierte Quartal 2021 liegen sie vor. Sie bestätigen den enormen Digitalisierungsschub in dieser Zeit. Zwar lassen sich die aktuellen Zahlen der Webanalyse (ÖWA) nicht direkt mit den früheren vergleichen, doch manche Medien verzeichnen unter dem Strich mehr als 100 Prozent Steigerung der täglichen Online-Reichweite. Das ist Wasser auf die Mühlen der landläufigen Allerweltspredigten, die Transformation ins Digitale nun noch schneller voranzutreiben.

Diesem Klischee fehlt aber die Daten-Basis. Österreich zählt global zu den Märkten mit der stärksten herkömmlichen Mediennutzung. Das gilt für Zeitung wie Fernsehen. Als 1996 die Internet-Ära begann, hatte die "Kleine" 753.000 Leser. 25 Jahre später sind es 708.000 für Print und E-Paper (laut Media-Analyse). Dazu gesellen sich 296.000 online. Ihre Überschneidung ist gering. Aber noch kommen 2,4 Papier-Leser auf einen Digital-User. So wie allein der TV-Sender ORF 2 eine doppelt so hohe Tagesreichweite hat wie alle ORF-Online-Angebote zusammen.

Die Zukunft im Netz ist klar, doch das klassische Publikum beträgt noch ein Mehrfaches der Nutzer neuer Technologien und beharrt auf Gewohnheiten. Auch der wirtschaftliche Beitrag aus angestammten Zielgruppen ist weit überproportional. Deshalb wäre ein bedingungsloser und undifferenzierter Vorrang für das Internet-Angebot bei hiesigen Massenmedien geradezu Selbstbeschädigung. Heute geht es um einen behutsamen Balanceakt zwischen gestern und morgen: Die Älteren nicht verprellen, die Jüngeren nicht vergraulen.

Das Erfolgskriterium liegt in Wertschätzung des herkömmlichen Publikums und der Fähigkeit, es in die neue Medienwelt zu begleiten. Dabei gilt es vorerst, der Digitalisierung den Schrecken zu nehmen, den ein derart gewaltiger und umfassender Umbruch zwangsläufig erzeugt.