"Menschenhandel? Da kommt ihr zu mir? Wir sind ein Familienbetrieb!" Die Empörung steht Sylvia (Carice van Houten, "Game of Thrones") ins Gesicht geschrieben. Und natürlich, hier im "Tropicana" in Antwerpen, Bar und Bordell, da muss man zusammenhalten. Die einen, weil sie bestens daran verdienen, und die anderen, weil sie am Leben bleiben wollen. Aus der realitätsfernen Vogelperspektive gesehen, ist es wie der Blick ins Familienalbum: Drama gibt es immer.

Das weiß Sylvia zu gut: Sie ist die Ehefrau von Ingmar, dem Boss (Geert Van Rampelberg), und sie ist seine Geschäftspartnerin im doppelten Sinne: "Du bist meine Tophure", pflegt er zu sagen und das meint er so. Sylvia ist Mittäterin im System Tropicana und Opfer zugleich. Auch, weil Ingmar meist hart, aber manchmal auch ganz zart sein kann. Es ist eine brutale Mischung aus Abhängigkeit und Ohnmacht, die hier zur Aufführung kommt. "Hältst du mich für ein Opfer?", wird Sylvia einmal jemanden anschnauzen und die Vehemenz, mit der sie das macht, zeugt davon, dass sie eines weiß: Ja, sie ist ein Opfer, das um seine Ohnmacht weiß.

Die zehnteilige belgische Serie "Red Light" lässt drei Frauenschicksale wie Satelliten umeinander kreisen. Pro Folge kommen sie sich näher: die Prostituierte Sylvia, die Sopranistin Esther (Halina Reijn), deren Mann spurlos verschwindet, und die Polizistin Evi (Maaike Neuville), die den Vermisstenfall aufzuklären versucht. Langsam zieht es sie alle in Richtung "Tropicana". Die Serie spannt drei Milieus zusammen, die keinerlei Berührungspunkte haben. Und doch ist eine Schnittmenge zu erkennen: Alle drei Frauen kämpfen gegen ihre ganz persönliche Form der Abhängigkeit. Sei es Liebe, sei es Alkohol oder die Angst ums eigene Leben. Abhängigkeiten, die das Leben perforieren, es brüchig machen.

Die Serie nimmt sich Zeit, um die drei Milieus zu skizzieren, arbeitet heraus, welche Formen von sozialen Mechanismen hier wirken. Taucht tief in die Lebenswelten ein, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und sie bleibt nah an den Protagonistinnen, die Opfer und Täterinnen sind, die taumeln, fallen, wieder aufstehen. "Das Programm ist nicht geeignet für Kinder, Jugendliche und empfindsame Zuschauer", so der Serien-Warnhinweis. Letztere sollten das ignorieren – die Serie ist zu gut, um sie nicht zu sehen.

"Red Light" in der Arte-Mediathek