Der künftige Alleingeschäftsführer RolandWeißmann verjüngt im Vergleich zu seinem Vorgänger das Team und setzt auf einen höheren Frauenanteil. Damit löst er ein erstes Versprechen seiner ORF-Bewerbung ein.
Der 35-köpfige ORF-Stiftungsrat bestellt am Donnerstag die vier zentralen und neun ORF-Landesdirektoren. Unter dem designierten ORF-Generaldirektor Weißmann wird ORF III-Geschäftsführerin EvaSchindlauer Finanzdirektorin, ORF III-Chefredakteurin Ingrid Thurnher Radiodirektorin, Puls 4-Senderchefin Stefanie Groiss-Horowitz Programmdirektorin und GIS-Chef Harald Kräuter zum Technikdirektor.
Die Entscheidung fiel deutlich aus: Die vier zentralen Direktoren kamen auf 32 von 35 Stimmen. Dabei gab es keine Gegenstimme, nur drei Enthaltungen. Enthalten haben sich laut "Standard" mit Barbara Nepp, Corina Heinreichsberger und Georg Watschinger drei der vier FPÖ-nahen Stiftungsräte. Sie hatten sich bei der ORF-Wahl im Juli für Lisa Totzauer ausgesprochen.
Damit stimmten weit mehr Stiftungsräte für das Personalpaket als im August für Weißmann. Er kam mit türkis-grüner Unterstützung auf 24 von 35 Stimmen.
Ingrid Thurnher betonte mehrmals ihre „große Lust“ auf die neue Herausforderung, „die ORF-Radios in die Zukunft zu führen und mit Audio-Inhalten im künftigen ORF-Player zu punkten“. Ihr Bewerbungskonzept habe daher auch den Titel „Beyond Radio“ getragen. Dass sie nebenbei noch für ORF III moderieren wird, schließt sie aus: „Ich habe genug Zeit vor der Kamera im Studio verbracht“, lacht Thurnher.
Landesdirektoren mit einer Enthaltung
Ein noch deutlicheres Votum gab es von den 35 Stiftungsräten für die neun Landesdirektoren und Landesdirektorinnen: 35 Pro-Stimmen und eine Enthaltung. Vier von ihnen wurden verlängert, dazu gibt es fünf Neubestellungen. Enthalten hat sich, wie angekündigt, die vom ORF-Zentralbetriebsrat entsandte unabhängige Stiftungsrätin Christiana Jankovics. Sie hatte am Vortag Kritik an der erneuten Nominierung des Vorarlberger Landesdirektors Markus Klement trotz Kritik an dessen Führungsstil geübt.
Werner Herics (Burgenland), Gerhard Koch (Steiermark), Karin Bernhard (Kärnten) und Markus Klement (Vorarlber) bleiben. Neu sind Edgar Weinzettl (Wien), Robert Ziegler (Niederösterreich), Klaus Obereder in (Oberösterreich) und Esther Mitterstieler in Tirol. In Salzburg übernimmt die bisherige Magazin-Chefin Waltraud Langer.
ThomasZach, Leiter des bürgerlichen Freundeskreises, reagierte gegenüber der APA: "Mehr als 90 Prozent Zustimmung im Stiftungsrat für das neue ORF-Team sprechen für sich. Nach einer klaren Zweidrittelmehrheit für Weißmann im August, ist diese große Bestätigung für sein Team ein großer Vertrauensbeweis und klarer Auftrag für einen modernen und starken ORF."
Kritik am Bestellungsvorgang kam bereits am Donnerstagvormittag von den NEOS. "Die Art und Weise, wie die neuen Direktorinnen und Direktoren ernannt werden, bleibt weiterhin höchst kritikwürdig, intransparent und von parteipolitischen Interessen geprägt", wurde NEOS-Mediensprecherin HenrikeBrandstötter in einer Aussendung zitiert. Sie fordert eine Abschaffung des im ORF-Gesetz vorgesehenen Anhörungsrechts der Landeshauptleute für die jeweiligen Landesdirektoren. Dieses sei in Wahrheit ein "Ernennungsrecht".
Bei den zentralen Direktorenposten beträgt der Frauenanteil künftig 75 statt bisher 50 Prozent, wobei Weißmann die unter dem amtierenden ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz eingeführte Direktionsstruktur beibehält. Eine Anpassung hat er in den Raum gestellt. Ausschlag könnte etwa der Abschluss der Besiedelung des derzeit in Bau befindlichen multimedialen Newsroom geben. Im Zuge dessen übersiedeln auch die für das Radio beschäftigten ORF-Mitarbeitenden auf den Küniglberg.
Wrabetz, der noch bis 1. Jänner 2022 als Generaldirektor das größte Medienunternehmen des Landes führt, will die zahlreichen teils gewichtigen Führungspositionen im multimedialen Newsroom noch heuer besetzen. Dabei soll es zu einer Abstimmung mit Weißmann kommen - wie auch bei der im Herbst fälligen Neufestsetzung der GIS-Gebühren und Gesprächen für eine ORF-Gesetzesnovelle.
Es bleibt spannend
Auch der Bestellung der 13 Direktoren und Direktorinnen bleibt es spannend. Dann nämlich wenn wieder der scheidende ORF-Generaldirektor AlexanderWrabetz am Zug ist. Wrabetz hat angekündigt, noch selbst die Chefredaktion und Ressortleitungen im künftigen multimedialen Newsroom bestellen zu wollen. Die Besetzung dieser Schlüsselpositionen der ORF-Information muss der Generaldirektor nicht mit den Stiftungsräten abstimmen.
Für den meisten ORF-Zuschauer womöglich aufreibender als die Bestellung der ORF-Direktoren ist die anstehende Erhöhung der ORF-Gebühren. Fünf Jahre nach der letzten Anpassung steht eine Anpassung an, zu rechnen ist mit einer Erhöhung um fünf bis zehn Prozent.
Der nächste anstehende Schritt ist die seit Jahren versprochene Novelle des ORF-Gesetzes. Diese soll es dem öffentlich-rechtlichen Sender ermöglichen, in das Streamingzeitalter einzutreten und zur multimedialen Plattform zu werden.