Viel wurde im vergangenen Jahr über analoge Kunst im digitalen Raum diskutiert. Dazu kam ein neuer Hit: Künstler wie Kanye West oder Nick Cave schlossen sich in Konzerthallen oder Stadien ein und spielten dort alleine für sich. Nun also Billie Eilish, die im berühmten Hollywood Bowl in LA ihren Konzertfilm "Happier than Ever" aufnahm.
Zwei Fehler haben sich in die Einleitung eingeschlichen. Erstens war Eilish nicht allein, sondern durchaus gesellig, unter anderem wurde sie vom Los Angeles Philharmonic unter Gustavo Dudamel begleitet. Auch ein Chor, indem Eilish in ihrer Jugend (die Frau ist immerhin schon 19) sang, unterstütze sie. Zum anderen ist der Album- und Konzertfilmtitel "Happier than ever" eine Koketterie: Insbesondere das animierte Alter Ego, der Disney-Einfluss auf diesem Mitschnitt, vermeidet jedes Lächeln und gibt sich als traurigste aller Disneyprinzessinnen, während es mit wallendem blondem Haar im Sportwagen durch Los Angeles braust.
"Happier than ever" sind 66 Minuten Musikgenuss fürs Wohnzimmer. Dieses introvertierte Selbstbewusstsein, das Eilish in ihren Bewegungen und ihren Texten transportiert, kann ohne die Ablenkungen von Livepublikum inhaliert werden. Sätze wie "If I were more, if I were less, who decides what that makes me?", dürfen umso intensiver sickern. Am Ende setzt sich der Billie-Avatar in die erste Reihe der Arena und lauscht dem fulminanten "Happier than ever", bevor dieses Privatkonzert mit dem letzten Albumlied "Male Fantasy" ausklingt.