Schon im Jahr 2008 brachte Joseph Vilsmaier "Die Geschichte vom Brandner Kaspar" auf die Leinwand. Eine der Hauptfiguren war der "Boandlkramer" – der Tod, gespielt von Michael "Bully" Herbig. Zwölf Jahre später kommt nun eine Fortsetzung, wieder mit "Bully" Herbig als Zentralfigur. "Der Boandlkramer und die ewige Liebe" läuft, wegen Corona-bedingter Verzögerung, nun nicht in den Kinos an, sondern ist auf Amazon Prime zu sehen.

Wo lag die Initialzündung für diese Fortsetzung?
MICHAEL "BULLY" HERBIG: Ich habe diese Figur einfach so unheimlich gern gespielt. Die bekannte "Geschichte vom Brandner Kaspar" habe ich in meinem Leben bestimmt acht, neun Mal gesehen, und schon als Kind war sie für mich eine faszinierende Mischung. Mich hat’s einerseits gegruselt, andererseits hatte die Figur des Boandlkramers aber auch etwas Tröstliches und Lustiges an sich. Beim Zuschauen habe ich die Angst vor dem Tod abgelegt. Als mich Joseph Vilsmaier seinerzeit fragte, ob ich ihn verkörpern wollte, war das für mich wie ein Lottogewinn. Ich hatte zwar nur zehn Drehtage, doch dieser Charakter hat mich nie mehr losgelassen. In einem zweiten Teil, überlegte ich schon vor zwölf Jahren, könnte sich der Boandlkramer beispielsweise verlieben. Nun: Vor zweieinhalb Jahren besuchte ich Joseph Vilsmaier und erzählte ihm: "Du, ich habe noch keine Geschichte. Nur einen Titel". Er überlegte nicht lang und antwortete: "Super, das mach ma!"

Was dann auch geschah. Leider war der wirkliche "Boandlkramer" in das Projekt involviert, denn nach der Fertigstellung starb Joseph Vilsmaier. Am 11. Februar 2020. Somit ist dieser Film faktisch ein Requiem für diesen wunderbaren Regisseur und Menschen?
Als wir mit dem Rohschnitt fertig waren, hatte ich noch eine Idee und fragte Joseph, ob wir diese Szene nachdrehen wollen. Er antwortete: "Ja, super. Natürlich machen wir das!" Da ging es ihm, ohne dass es jemand mitbekam, schon sehr schlecht. Ende Jänner war dann der Feinschnitt fertig, und in dem Moment spürte er wohl auch, dass er loslassen konnte. Dann ging alles relativ schnell. Ich betrachte es als großes Glück, dass ich mich noch von ihm verabschieden durfte.

Würden Sie bitte für den Laien noch den bayerischen Begriff "Boandlkramer" analysieren?
Das ist im Grunde ja recht einfach. "Boandl" sind die Gebeine, "Kramer" der "Krämer". Das Wort bedeutet demnach so viel wie der "Gebeinehändler" oder "Knochenhändler".

In der katholischen Deutung erscheint uns der Tod immer, fürchterlich, als Gerippe, als Sensenmann. Wie angenehm war das im Film "All That Jazz", als der Held nicht von einem Gerippe, sondern von einem wunderschönen, von Jessica Lange gespielten Todesengel abgeholt wurde. . .
(lacht) Ja, das versteh’ ich. Aber wenn ich genauer nachdenke, ist das Erscheinungsbild des Boandlkramers nur auf den ersten Blick erschreckend. Der arme Kerl ist seit tausenden von Jahren unterwegs, um Seelen rauf oder runter zu bringen. Aber er kommt nirgendwo rein, nirgendwo ist er gern gesehen, da kann man schon leicht zum Freak werden und Ticks entwickeln. Er spricht nur noch mit seinem Pferd. Er ist somit ungemein bemitleidenswert, sodass man ihm nur noch das Beste wünscht. Der personifizierte Tod wird plötzlich zum Sympathieträger, aber niemand liebt ihn. Seit tausenden von Jahren erledigt er seinen Job fleißig und zuverlässig, aber, wie gesagt, niemand liebt ihn. Ausgerechnet er trifft in unserer Geschichte auf die Liebe seines Lebens, und wie alle Verliebten macht er plötzlich Dinge, die schwer wiegende Folgen haben können. Die Apokalypse ist nahe. . .

Unter anderem geht er einen Pakt mit dem Teufel ein. Der wird von Hape Kerkeling gespielt?
Auf diese Idee wäre ich nie gekommen. Stammt von Joseph Vilsmaier und war genial. Denn schon in der frühen Fassung unseres Drehbuches, das wir mit Marcus H. Rosenmüller und Ulrich Limmer entwickelt haben, war die Hölle kein Klischeebild, sondern ein Ort der Verführung. Der Teufel ist ein Verführer, der falsche Versprechungen macht und die Leute um den Finger wickelt, und auf diese Art fängt er sie ein. Deshalb haben wir aus der Hölle einen großen Bling-Bling-Laden gemacht. Und der Teufel gleicht einem Fernseh-Entertainer der siebziger Jahre. Hape selbst erzählt über seine Zusage eine hübsche Geschichte. Hätte man ihn als Kind gefragt, was er gerne werden möchte, hätte er geantwortet: Schauspieler. Und dann hätte er am liebsten den Teufel gespielt. Dass ihm diese großartige Rolle nun in den Schoß gefallen sei…Er könne sein Glück kaum fassen.

Hat er schnell zugesagt?
Hape erzählte uns, er habe das Drehbuch in einem Rutsch durchgelesen, wollte aber noch ein paar Tage warten, bevor er zusagte. Er hat’s dann aber doch nicht so lange ausgehalten und Vilsmaier direkt angerufen: "Lieber Joseph, hier spricht dein Teufel!" Ich selbst bin Hape vorher nur ein Mal kurz begegnet. Als wir uns dann am ersten Tag der Produktion trafen, war es Liebe auf den ersten Blick.

Ihre Maske als Boandlkramer erforderte sicher eine Menge Arbeit?
Schon am ersten Tag traf mich fast der Schlag, als ich ins Maskenmobil kam und dort eine Palette mit 32 künstlichen Nasen liegen sah. Für jeden Drehtag eine. . . Ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich zu zählen begonnen: Noch zwölf Nasen, noch elf, noch zehn. . . Auch musste ich meine Augenbrauen blondieren lassen, damit sie unter der grauen Gesichtsschminke verschwanden. Es ist irre, wie sich ein Gesicht verändert, wenn man die Augenbrauen nicht mehr sieht.

Was steht bei Ihnen demnächst an?
Ich konnte mich während der Lockdown-Phasen auf die Entwicklung der nächsten Projekte konzentrieren. Ich begann, an einem Biopic über das Magier-Duo Siegfried & Roy zu schreiben..

Zurück zum Boandlkramer: Lachen – ein gutes Rezept für die Zeiten von Corona?
Ich glaube an das Lachen. Wir lachen zu Hause sehr viel. Ich denke, das habe ich von meinen Großeltern. Die haben zwei Weltkriege überstanden, und das Lachen der Großmutter habe ich in besonders guter Erinnerung. Diese Frau hat viel mitgemacht und erlebt und zehn Kinder großgezogen. Doch ich habe sie als lachenden und humorvollen Menschen in Erinnerung. Ich glaube sehr daran, dass Humor heilende Kräfte hat. Humor hat auch Joseph Vilsmaier beim Dreh zu "Der Boandlkramer und die ewige Liebe" viel Kraft gegeben. Ich glaube, das war genau der Abschied, den er sich gewünscht hat.