"Älter als acht Tage war kaum eine Nachricht, wenn sie nicht von weither kam", ist in einer Ausgabe der „Wiener Zeitung" aus dem Jahr 1903 über ihre Anfänge bei der Auslandsberichterstattung zu lesen. Anlass für den Artikel war damals das 200-jährige Bestehen des Mediums. Weitere 118 Jahre später ist die Wiener Zeitung in der redaktionellen Arbeit zwar deutlich schneller geworden, dennoch kämpft die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt um ihr Überleben.

Hintergrund der prekären Situation ist das vor der Umsetzung stehende Regierungsvorhaben, die Pflichtveröffentlichungen in der Druckausgabe des „Amtsblatts" zu beenden. Damit würde die im Besitz der Republik stehende „Wiener Zeitung" mit einem Schlag den Großteil seiner Einnahmen verlieren. Die Zeitung ist ein Unikum in der an Tageszeitungen armen österreichische Presselandschaft: Gerade einmal 14 Zeitungen sind es hierzulande, ein Bruchteil dessen, was in Norwegen, Schweden oder der Schweiz täglich erscheint. Dafür boomen hierzulande bekanntlich digitale Varianten der Parteizeitungen.

Ein hochwertiger Nebenschauplatz

Die „Wiener Zeitung", die bei ihrer Gründung 1703 „Wiennerisches Diarum" hieß, ist eine Insel des Medienbetriebs, deren heutige Ausmaße nicht öffentlich sind: Die letzte Auflagenkontrolle, an der sich die als hochwertig geltende Zeitung beteiligte, erfolgte 1999 und wies 12.130 verkaufte Stück aus. Eine Reichweite, viel zu gering, um konkurrenzfähig zu sein.

Die Abschaffung der Pflichtveröffentlichungen im „Amtsblatt" war schon von der türkis-blauen Vorgängerregierung paktiert worden. Im Programm der aktuelenl Regierung steht das Ziele, ein „neues Geschäftsmodell der Wiener Zeitung" zu schaffen, „mit dem Ziel des Erhalts der Marke". Wie das gelingen soll, dürften die Mediensprecher Gerald Fleischmann (ÖVP) und Eva Blimlinger (Grüne) in den nächsten Wochen präsentieren.

Die jüngsten Gerüchte über die möglichen anstehenden Umbrüche bei der sorgten für zahlreiche Reaktionen. ThomasDrozda, (Noch-)SPÖ-Mediensprecher, sprach von einer „historischen Ignoranz", der ältesten Tageszeitung den Hahn abzudrehen. Solidaritätsbekundungen kamen auch von der Journalistengewerkschaft oder dem Presseclub Concordia.

In Bezug auf neue Geschäftsfelder erklärt MartinFleischhacker, seit 2019 Geschäftsführer der Wiener Zeitung: „Wir haben in diesem Bereich nicht nur schon einiges umgesetzt, sondern auch mehrere umfassende Vorschläge ausgearbeitet und besprechen diese regelmäßig mit dem Eigentümer." Zudem habe sich sein Unternehmen „ganz der Digitalisierung verschrieben". Davon betroffen sei auch ein Projekt zur Digitalisierung des Amtsblattes.