Mit „Grenzfall“ (2015) und „Schock“ (2017) erzielte der Klagenfurter Rupert Henning Topquoten. Am Sonntag kommt sein bereits fünfter „Tatort“ auf die Bildschirme. „Krank“ wird am 25. Oktober im Rahmen des Programmschwerpunktes „Unser Österreich“ von ORF 2 ausgestrahlt.

Herr Henning, Sie sagen, dass Sie aus zwei Gründen ein Faible für den „Tatort“ haben. Erstens, weil man da sperrige, ungewöhnliche Fälle und Geschichten transportieren kann, und zweitens, wörtlich zitiert: „Ich bin ein veritabler Junkie, was das österreichische Duo angeht. Ich bin Krassnitzer- und Neuhauser-süchtig“?
Rupert Henning: Ja, es ist für mich ein Vergnügen, einen „Tatort“ in Angriff zu nehmen. Denn die beiden Hauptdarsteller sind für mich eine Inspirationsquelle im besten Sinn. Mittlerweile haben wir drei schon so oft zusammengearbeitet, dass sich eine starke Vertrautheit entwickelt hat.

Weltweit werden fürs Fernsehen haufenweise Krimis produziert. Was ist am „Tatort“ so besonders?
Henning: Für mich persönlich muss ein Thema da sein, das mich reizt, das ich relevant finde. Und neben dem Inhalt spielt auch die Form eine Rolle. Ich bin grundsätzlich nicht der Typ, der einfach beschließt: „Ich muss wieder einmal einen Krimi schreiben!“

Regisseur Rupert Henning.
Regisseur Rupert Henning. © ORF

Harald Krassnitzer sagt: „Der ‚Tatort’ ist ein Abbild dessen, was mit uns zu tun hat, was wir an unserem Leben wahrnehmen. Probleme oder eben Geschichten, die wir erleben“. Was zum Beispiel hat die neue Folge „Krank“ mit uns zu tun?
Henning: Ich beschäftige mich mit dem Thema schon lange und habe intensiv recherchiert. Basis sind Fragen der Menschheit, seit sie auf diesem Planeten „herumkräult“. Da geht es einerseits um essen und trinken und andererseits um das Thema „Wie bleibe ich gesund?“ Und wir erleben immer wieder, wie Letzteres mit Glaubensfragen verbunden ist.

In Ihrer Story kommt ein Mädchen nach dem Einsatz so genannter „sanfter Medizin“ ums Leben. Das schlägt hohe Wellen, es entbrennt ein erbitterter, stark emotionaler Streit. Hat sie wirklich sterben müssen? Hätte man sie mit einer anderen Behandlung vielleicht retten können. Hat sich ihr Vater, ein namhafter Vertreter der Alternativmedizin und Mitbegründer des Unternehmens „Medicina Lenia“, durch die Behandlung seiner Tochter schuldig gemacht? Ein Gerichtsverfahren spricht ihn frei, doch unmittelbar nach dem Freispruch wird er ermordet. Der Fall führt Moritz Elsner und Bibi Fellner zu erschütterten Familienmitgliedern, überzeugten Heilspropheten und skrupellosen Machenschaften. . .
Henning: Wie gesagt, die Auseinandersetzungen zwischen Schulmedizin und Alternativmedizin sind stark mit Glaubensfragen verbunden, die Auseinandersetzungen sind oft wahnsinnig heftig und aggressiv. Eine wesentliche Frage ist dabei das Image. Welches Image hat eine Branche, und wie schafft sie es, dieses Image aufrecht zu erhalten? Vergessen wir nicht: die profitabelste legale Branche ist die Gesundheitsbranche.

Ob Schulmedizin oder Alternativmedizin, in Ihrem „Tatort“ wird ziemlich deutlich ausgesprochen: Auf beiden Sektoren geht es vor allem um eines?
Henning: Ja. Um Profit. Um Geld. Um sehr, sehr viel Geld.

Von wem wurden Sie bei den Drehbüchern beraten, um niemandem Unrecht zu tun?
Henning: Da habe ich Glück. Ich komme aus einer Ärztefamilie. Vater und Bruder sind Urologen. Beide Schulmediziner. Vieles von ihren Erzählungen ist in mein Drehbuch eingeflossen. Speziell meinen Bruder habe ich schon häufig für medizinische Fragen konsultiert. Ein wesentlicher Unterschied der beiden Richtungen ist: Die Schulmedizin ist stark dem Gesetz verpflichtet, vom Heilpraktiker aber werden auch Medikamente empfohlen, die nicht verschreibungspflichtig sind. Prinzipiell: Wenn jemand sagt: „Nimm diese Pille, aber du musst dran glauben, dass sie wirkt!“, also, solche Tipps finde ich schon sehr komisch.

Der Dreh fiel mit dem Ausbruch von Covid-19 zusammen. Hat sich das auf Ihre Arbeit, Sie waren ja auch Regisseur, ausgewirkt?
Henning: Ja, weil sich die ganze Welt auf einmal mit Gesundheit beschäftigte. Das war nicht vorhersehbar. Auch innerhalb des Teams gab es natürlich viele Diskussionen.

Die diversen „Fach“diskussionen im Fernsehen haben Sie gewiss miterlebt? Und die diversen auseinander gehenden Meinungen?
Henning: Ja, aber wenn dann Meinungen auftauchen, die nicht durch Fakten unterlegt sind, das finde ich ziemlich befremdend.

Zur Corona-Zeit hatten zumindest Autoren einen Vorteil, denn sie konnten sich ja sehr wesentlich aufs Schreiben konzentrieren?
Henning: Schon, aber glauben Sie mir: Es gibt schon einen Unterschied, ob ich freiwillig eingesperrt bin oder nicht.

Wie sieht es mit Ihren aktuellen Aktivitäten aus?
Henning: Als Produzent mache ich momentan mit Felix Mitterers „Märzengrund“ weiter. Einen Teil haben wir bereits im Sommer gedreht, jetzt sind die Winterszenen an de Reihe. Es geht, eine wahre Geschichte, um einen Zillertaler Bauernsohn, der oberhalb der Baumgrenze ein Haus baut, eine einsame Almhütte, in der er dann 40 Jahre als Einsiedler lebt. Fernab der Zivilisation, völlig im Einklang mit der Natur. Jakob Mader spielt ihn in jungen, Johannes Krisch in älteren Jahren.