Sie wollen doch nur spielen? Die Smartphone-App TikTok ist ein Schauplatz für Widersprüchliches: Albernheit und Subversivität, Spaß, Politik und Trend-Multiplikation. Die insbesondere bei Jugendlichen beliebte Applikation basiert auf einem simplen Prinzip: Nutzer stellen kurze, mit Musik unterlegte und maximal 60-sekündige Clips online, den Rest erledigt der ausgefuchste Algorithmus. Hinter der hocherfolgreichen und schnell wachsenden visuellen Videoportal steht die Firma ByteDance.

Auf politischer Ebene ist TikTok ein Hybrid, dessen Unabhängigkeit von vielen bezweifelt wird. Die mehr als zwei Milliarden Mal heruntergeladene App ist ein chinesisches Produkt, das in China unter einem anderen Namen auftritt („Douyin“) und sich zuletzt aus Protest gegen das neue chinesische Sicherheitsgesetz aus Hongkong zurückzog.

Was nach Unabhängigkeit klingt, ist der Versuch, sein Image zurecht und weg von der Zentralmacht in Peking zu rücken. TikTok fürchtet, die USA könnten die Social-Media-App verbannen wie sie es bereits mit dem Telekommunikationsausrüste Huawei getan hat. „Das ist etwas, das wir uns anschauen“, erklärte dazu US-Außenminister MikePompeo. Von einer privaten Verwendung von TikTok rät er ab: „Nur wenn Sie wollen, dass Ihre privaten Daten in Händen der Kommunistischen Partei Chinas landen.“ Auch das Hackerkollektiv Anonymous fordert auf, die App zu löschen. Derselbe Vorwurf: Es handle es sich um eine Spionagesoftware der chinesischen Regierung.

TikTok als Bauernopfer?

Wie wenig sich große Social-Media-Plattformen aka Datenkraken von der Politik trennen lassen, hat Mark Zuckerbergs Facebook die Welt gelehrt. Der chinesische Kulturexport TikTok ist ein neues Kapitel, diesmal mit geopolitischem Format und eingebettet in eine Konfliktlinie, die insbesondere die USA und China trennen. Läuft es für die bis 2018 auf den Namen „Musical.ly“ lautende App schlecht, könnten die politischen Implikationen das aktuell noch rasch expandierende Unternehmen zu Fall bringen. Ein erfolgreicher Kulturexport als Bauernopfer?

Ein schlechtes Zeugnis stellt TikTok die Datenschutz-NGO Epicenter.Works aus. Die Regeln der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) würden nicht eingehalten, zudem sei unklar, „an welche „Dritte“ die Datenübertragung stattfindet“, erklärt Epicenter-Sprecherin IwonaLaub. Unter diesen Voraussetzungen sei „ein sicherer Umgang mit TikTok quasi unmöglich.“ Entsprechend sollten sich die vor allem jugendlichen Nutzer sehr genau überlegen, welche Inhalte man hochlade. Allgemein betont Laub: „Keine App ist gratis. Wir zahlen mit unseren Daten. Wie bei jeder Dienstleistung sollte man auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis achten.“

Unumstritten ist hingegen die Zielsicherheit hinsichtlich des Zeitgeists in einer Evolution digitaler Kommunikation, die vom Text, über das Bild zum Bewegtbild führt. Repräsentiert wird diese Entwicklung durch Facebook, Instagram und nun TikTok, erklärt MatthiasRohrer vom Institut für Jugendkulturforschung. „Wir bewegen uns gesamtgesellschaftlich immer mehr in Richtung Hyper Attention“, beschreibt Rohrer den schnellen Wechsel zwischen unterschiedlichen Inhalten und die Möglichkeit, mit verschiedenen Rollen zu spielen. TikTok passe mit seinen Mini-Videos perfekt zu dieser Entwicklung: „Das ist nichts, was aus einem luftleeren Raum kommt.“