Wer Magazine und Wochenzeitschriften vertreibt, hat es selten mit frohen Botschaften zu tun: Erfolg hat, wer die Auflage hält. Die Reichweiten sinken grosso modo und das nicht erst seit gestern. Ein Blick auf die Aushängeschilder, ob in Deutschland oder in Österreich, zeigt das Bild der Kontinuität einer negativen Entwicklung. Zwei Nachrichtenbeispiele, die exemplarisch für die Branche stehen: Das Nachrichtenmagazin „News“ lag laut Österreichischer Auflagenkontrolle (ÖAK) im 2. Halbjahr 2019 bei einer verkauften Auflage von 64.651 Stück. Eine knappe Halbierung innerhalb von fünf Jahren.
Ein offener Brief von HorstPirker, Geschäftsführer der Verlagsgruppe News, in dem er zum Rundumschlag ausholt, belegte jüngst die große Nervosität: „Weil es reicht“, verlangt Pirker einen Paradigmenwechsel in der Medienpolitik. Nicht anders die Situation in Deutschland: „Der Spiegel“ verkaufte Anfang 2015 wöchentlich noch rund 843.000 Stück, im ersten Quartal 2020 waren es 693.777 Exemplare. Andere Magazine wie „Focus“ oder „Stern“ verloren noch deutlicher.
Gegen den Trend
Umso mehr fallen jene auf, die sich wie das populärwissenschaftliche „Katapult Magazin“ gegen den Trend entwickeln. Im März 2015 gegründet, ist die viermal jährlich erscheinende Publikation aus Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern eine Art Shootingstar der Branche, der dem Element der Infografiken neue Prominenz verleiht und seine Auflage monatlich deutlich steigert. Die Druckauflage steigt rasant: Für die erste „Katapult“-Ausgabe 2020 wurden 75.000 Stück produziert, für die nächste werden bereits 100.000 Exemplare gedruckt.
Der Trick von „Katapult“ sei es, mit einfachen Karten und Grafiken eine klare Aussage zu treffen, erklärt BenjaminFredrich, Jahrgang 1987. Für den Erfolg des Magazins gebe es eine journalistische und eine ökonomische Erklärung, führt der 32-jährige Gründer und Chefredakteur aus: „Die journalistische Antwort ist, dass wir komplizierte Zusammenhänge herunterbrechen, ohne sie zu verfälschen, sodass es für Leute, die nicht viel Zeit haben, schnell zu verstehen ist.“ Die wirtschaftliche Antwort beziehe er auf die Unabhängigkeit. Man gehöre sich selbst, habe sich nicht verkauft: „Wir machen unser eigenes Ding und das merken die Leute auch.“
Probleme, die andere gerne hätten
Als Wachstumsschmerzen lässt sich beschreiben, was Fredrich über die Problemfelder von „Katapult“ zu sagen hat. Mehr Abos führen zu mehr Arbeit, was mehr Personal notwendig macht: „Das geht bei der Buchhaltung los und hört bei der aktuellen Berichterstattung und Berichtigungen auf. Da sind alle überlastet. Wir sind gerade 19 Leute und stellen bis zum Juni sieben weitere ein.“ Zugleich sei es schwierig, das richtige Personal zu finden, die den Stil, der zwischen Sachlichkeit und zynisch-frechem Humor rangiert, mittragen können. Die Zeiten, in denen jeder alles macht, gehören der Vergangenheit an: „Es gilt also Abteilungen zu gründen und da hat niemand Erfahrung von uns.“
Wenig Freude hatte der „Katapult“-Chef mit einer Causa, die im Februar für Schlagzeilen sorgte: Die „Süddeutschen Zeitung“ hatte sich in ihrer Kolumne „Unterm Strich“ über einen längeren Zeitraum systematisch von den peppigen Grafiken der jungen Konkurrenz „inspirieren“ lassen – man könnte es auch Plagiat nennen. „Wenn das jemand einmal macht, dann machen wir kein Fass auf. Wenn man aber den Eindruck hat, die warten nur darauf, was wir wieder etwas veröffentlichen, um es dann in ihr Layout hineinzubauen, dann ist das ein Problem.“ Versuche, die Sache intern mit dem „Süddeutsche-Redakteur zu klären, seien gescheitert, sagt Fredrich, der von einem „schmerzhaften“ Moment spricht. Auf juristische Schritte verzichtete er, stattdessen wählte er den Weg über die Öffentlichkeit. Resultat: Die „Süddeutsche“ entschuldigte sich, die Kolumne erschien nie wieder.
„Wir wachsen so doll, sind kein kleines, sondern schon ein mittelgroßes Magazin geworden und werden bald noch ein Stück größer. Dass die anderen gucken, warum das bei uns funktioniert und das kopieren, ist natürlich klar“, hat der Chefredakteur bis zu einem gewissen Grad Verständnis. Regelmäßig bekomme er Anfragen, ob er Magazine, Verlage oder Zeitungen beraten würde. Er sage allen Anfragen ab, auch wenn sie dafür Geld bieten. Das Konzept des lasse sich nicht direkt übertragen: „Wir sind hier halb naiv, halb glücklich reingerutscht. Dazu ein bisschen Händchen und große Motivation. Das ist weit weg von Tipps, die ich anderen geben kann.“
"Wir nutzen das Internet nicht mehr"
Die aktuelle Coronakrise ändert die Bedingungen auf allen Plattformen der Medienbranche und wirkte sich offenbar positiv auf die Reichweiten aus. Darauf lässt eine Sondererhebung der deutschen Media Analyse für den Zeitraum 8. bis 30. März schließen, die eine Steigerung bei Publikumszeitschriften um 25 Prozent, bei Tageszeitungen um zehn Prozent erfragte. Zugleich sorgt fallende Inserateneinnahmen für massiven finanziellen Druck. In Corona freien Zeiten sind es insbesondere die Digitalangebote und das E-Paper, wo für Magazine noch Wachstum möglich ist. Die „Katapult“-Redaktion wählte einen anderen Weg: „Wir schaffen es, ein Medium zu überspringen“, erklärt Fredrich das Modell und den Verzicht auf ein E-Paper: Zuerst lasen die Menschen Gedrucktes, später kam das Internet und schließlich wurde das Internet zum Vehikel für die sozialen Medien. „Wenn man das als drei Stufen der Entwicklung von Wissensvermittlung ansieht, dann nutzen wir das Internet eigentlich nicht mehr. Wir nutzen die sozialen Medien und machen von dort direkt den Sprung zum Printmagazin.“