Herr Klein, Sie verabschieden sich am 31. Juli als Ö-1-Chef in die Pension. Welcher Weg führte Sie zum Radio?
Peter Klein: Ich war sehr früh begeisterter Radiohörer. Vor allem das neu entwickelte Format des Features, das sowohl auf Ö 3 als auch auf Ö 1 gelaufen ist, hat mich unglaublich fasziniert. Als ich dann mein Studium abgeschlossen hatte, zog ich zu meiner damaligen Lebensgefährtin nach Vorarlberg. Ich ging also ins Landesstudio und habe gesagt, mein Name ist Peter Klein, ich bin ein begeisterter Radiohörer und ich möchte hier mitarbeiten. So habe ich begonnen, das war im Jahr 1980.


39 Jahre später sind Sie Programmchef von Ö 1, einem der erfolgreichsten Kultursender Europas. Zugleich ist der Spardruck beim ORF hoch. Wird sich Ö 1 dieses Programm auch in Zukunft leisten können?
Die Qualität wird ganz sicher nicht darunter leiden. Und wenn wir leiden, dann auf einem sehr hohen Niveau. Ö 1 hat zurzeit etwa 145 Angestellte, teilweise in Teilzeitanstellung. In Vollzeitäquivalenten sind das ungefähr 130 Stellen. Dazu kommen noch 44 fixe freie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wir sind also nach wie vor ein ziemlich gut ausgestattetes Teilunternehmen. Selbstverständlich haben wir auch gegenüber der Unternehmensführung Erklärungsbedarf, wozu es so viele Leute benötigt. Aber an einem guten Radiokolleg oder einem guten Feature arbeitet man durchaus sechs bis acht Wochen. Das verstehen nicht immer alle. Aber wir sind ja glücklicherweise erfolgreich und da schützt uns der Erfolg.

Klingt beruhigend.
Natürlich, Ö 1 ist keine Insel. Wir sind nicht das Paradies auf Erden, wir sind Teil eines großen Unternehmens, von dem wir alle wissen, dass es natürlich politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen unterliegt, die nicht immer ganz leicht sind. Aber zumindest einmal was meine Position betrifft, ist es „Part of the Job“, zu strampeln und dafür zu sorgen, dass Ö 1 durch einen Schulterschluss gesichert ist. Ich mache mir überhaupt keine Sorgen.


Das klang 2014, als Sie interimistischer Senderchef wurden, anders. „Ö 1 ist gefährdet“, sagten Sie in Bezug auf die ORF-Standortentscheidung. Wie sehen Sie das fünf Jahre später?
Das war damals ein etwas provokanter, aber auch strategisch gesetzter Hilferuf. Ich persönlich bin gespalten in Bezug auf die Standortentscheidung. Auf der einen Seite: Ja, die Adresse Argentinierstraße 30a ist nicht zu toppen. Es liegt mitten in der Stadt, ist leicht zu erreichen, die Leute kommen gerne zu uns. Großer Sendesaal, Hörspielstudio, Musikaufnahmestudios – die sind natürlich großartig. Diese Teile bleiben uns ja auch. Anders verhält es sich mit den Räumen, in die man als Besucher nie gelangt – Büros, die sich seit dem Jahr 1938 nur unwesentlich verändert haben. Sie haben überhaupt nichts damit zu tun, wie ein Medienunternehmen im 21. Jahrhundert aufgestellt werden muss.


Ab 2022 sendet Ö 1 vom Küniglberg. Was kommt auf den Sender zu?
Wir bauen ja ein komplett neues Haus, ausschließlich für Ö 1, und das ist schon eine wirklich faszinierende Aufgabe, die uns zwingt, uns zu überlegen, wie man einen Radiosender für das Jahr 2030 organisiert. Was sind die Herausforderungen, was die technologische Entwicklung? Man kann heute Radio aus jedem Schwimmbad, von jedem Küchentisch machen. Man braucht nicht unbedingt einen Schreibtisch – und der schlechteste Platz für Journalisten ist ja bekanntlich sowieso der Schreibtisch. Die sollen raus.


Sie haben die Kultur kürzlich als „Debattierklub der Politik“ beschrieben. Würden Sie sich eine grundlegendere, breitere Auseinandersetzung mit Kultur wünschen?
Nach meiner Erfahrung werden die wirklich spannenden gesellschaftlichen und auch politischen Analysen im Feuilleton, in der Literatur, in der Wissenschaft und in der Kultur geführt. Der tagesaktuelle Informationsjournalismus ist eine Art Notfallambulanz. Verarbeitet wird, was reinkommt, es muss immer aktuell sein und unsere Kollegen machen das hervorragend. Die zentrale Kategorie ist zurzeit, sagt uns eine Integralstudie, Halt und Orientierungslosigkeit. Es gibt mehr Fragen als Antworten in der Gesellschaft. Diese Fragen werden von Wissenschaft bis Kultur weit eher beantwortet, als auf den innen- und außenpolitischen Seiten unserer Medien der Fall sein kann.


Was muss Ihr Nachfolger, Ihre Nachfolgerin mitbringen?
Die Zeiten, wo es genügt hat, ein guter Programmmacher zu sein, sind vorbei. Man braucht eine sehr hohe Sozialkompetenz, denn die Kollegen in Ö 1 sind sehr eigenständig und keineswegs konfliktscheu. Wer auch immer mir nachfolgt, muss sich mit neuen Technologien beschäftigen, mit den Umbrüchen des Medienmarktes im Besonderen. Die Zeiten, in denen wir nur für UKW gesendet haben, sind längst vorbei. Wer auch immer mir nachfolgt, sollte auch ein guter, durchsetzungsfähiger Verhandlungspartner sein. Denn es geht natürlich ums Geld, ums Personal und da ist eine gewisse Widerständigkeit anzuraten.


Wie geht es mit Ihnen weiter? Bleiben Sie dem Radio erhalten?
Ich habe Menschen, die nie loslassen können, die alten Herren, die immer weiter picken geblieben sind, für bemitleidenswerte Kreaturen gehalten. Das werde ich selbst ganz sicher nicht machen. Schluss ist Schluss. Ich war immer schon ganz gut in Trennungen und Abschieden und ich will mich jetzt über diese gravierendste Veränderung meines Erwachsenenlebens nicht drüberschummeln. Ich werde schauen, was das Leben so bietet, und mich möglicherweise neu erfinden. Und natürlich viel Ö 1 hören.


Was ist Ihre Ö-1-Lieblingssendung?
„Vom Leben der Natur“.