Herr Resetarits, Sie sind selbst Jurist, aber seit Ihrer Studentenzeit beim ORF. Wie oft haben Sie sich rückblickend nach einer Karriere als Anwalt oder Richter gesehnt?
PETER RESETARITS: Ich war oft froh, Prozesse nur beobachten, aber nie beurteilen zu müssen. Als Anwalt wäre ich vermutlich ungeeignet. Ich sehe immer auch die guten Argumente der Gegenseite. Ich hätte in vielen – auch dramatischen Fällen – Urteile fällen müssen, bei denen ich selbst höchst skeptisch gewesen wäre, ob das, was ich geschrieben habe, „gerecht“ ist.

Denken Sie, dass Sie mit der „Am Schauplatz“-Redaktion schneller und mehr Betroffenen helfen konnten?
PETER RESETARITS: Es gab viele Fälle, in denen einfach das „Öffentlichmachen“ eine Beschleunigung oder eine Lösung bewirkt haben. Ohne dass wir eine Seite in der Berichterstattung bevorzugt hätten. Aber die Bank, die Versicherung, der übermächtige Gegner eines Bürgers wollte es sich ersparen, ein zweites Mal öffentlich mit seiner Beratung, Aufklärung oder der generellen Behandlung seines Kunden konfrontiert zu werden.

Hat sich der Zugang zu Anwälten für sozial schwächere Menschen in den letzten 20 Jahren erleichtert oder bleibt er ein schwerer?
PETER RESETARITS: Das ist meines Erachtens noch immer ein großes Problem. Prozesse und Anwälte können enorm viel Geld kosten, und im Vorhinein hat kaum einer eine Ahnung, was zeitlich, nervlich und finanziell auf ihn zukommt. Die Transparenz, wenigstens der Kosten, müsste meiner Meinung nach deutlich verbessert werden. Wir haben es nicht nur einmal erlebt, dass Prozessparteien zusammengebrochen sind, als ihnen die Schlussrechnung präsentiert wurde.

Welcher Fall bleibt Ihnen für immer im Gedächtnis und warum?
PETER RESETARITS: Der Fall eines reichen oberösterreichischen Bauern, der im Urwald von Nicaragua in einer ehemaligen Präsidentenvilla festgehalten wurde. Diverse nicaraguanische Halbweltsgestalten haben, angeführt von einem Rauchfangkehrer aus dem Salzkammergut, jeden Monat eine hohe Geldsumme vom österreichischen Sachwalter des Bauern kassiert. Die Gattin des Bauern, die ihn unter seltsamen Umständen geheiratet hatte, versuchte ihn zu sich zu holen, und diverse Schusswechsel zwischen den beiden verfeindeten Parteien fanden in der nicaraguanischen Presse großen Niederschlag. Die diversen Wendungen in der Causa, Todesfälle, Haftbefehle gegen österreichische Richter, Bestechungen etc. hätten mehrere Folgen eines Krimis gefüllt.

Wenn man an die Folgen erbitterter und jahrelanger Erbschafts- oder Nachbarschaftsstreitigkeiten denkt: Wie sehr glauben Sie an die Konfliktlösungskraft von Recht?
PETER RESETARITS: Viele erwarten bei Gericht Gerechtigkeit und sind enttäuscht, dass sie nur „Urteile“ bekommen. Eines Richters, der sich bemüht, die richtige Entscheidung zu treffen, aber bei vielen zu beurteilenden Ereignissen halt nicht dabei war und sich vielleicht auch irren kann. Im Idealfall erreicht das Gericht irgendwann wenigstens eine Art Schlussstrich zu einem Konflikt. Aber letztlich gibt es, wenn man keinen Kompromiss finden kann, einen Sieger und einen Verlierer. Und der sagt ganz selten: „Die Gerechtigkeit hat gesiegt“.

Werden Sie auf der Straße immer noch nach Rechtstipps gebeten? Und wie reagieren Sie?
PETER RESETARITS: Immer wieder: Ich höre mir das gerne an, kann aber vieles aus dem Stand nicht beantworten. Dann bitte ich um genauere Unterlagen, antworte, wenn ich das kann, oder verweise an Stellen, die das besser können als ich.