Endet bald ein Stück Fernsehgeschichte? Geht es nach Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten, dann ja. Nachdem die genannten Länder im Juni ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar eingestellt hatten, richtete ihre Allianz auch 13 Forderungen an das Emirat in der Größe von Oberösterreich. Eine davon lautet: Schließung des Nachrichtensenders Al Jazeera. Aber wie ernst ist so eine Drohung zu nehmen?
"Aus saudischer Sicht ist diese Bedingung sehr ernst zu nehmen, zumal die Zielrichtung von Al Jazeera bei seiner Gründung 1996 vor allem war, Saudi-Arabien zu ärgern", sagt Nahost-Expertin Karin Kneissl der Kleinen Zeitung und ergänzt: "Die Saudis wiederum gründeten als Reaktion darauf den Sender al-Arabiya." An Al Jazeera reiben sich Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emiraten schon lange. In den letzten Jahren stören sie sich vor allem daran, dass Al Jazeera Ägyptens Muslimbrüdern und anderen Islamisten breiten Raum in der Berichterstattung einräumt.
Der Sender biete "Terrorismus und Extremismus" ein Podium, wettert etwa Anwar Karkash, Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate. Kritiker werfen Al Jazeera vor, er sei nichts anderes als ein Mittel, mit dem das kleine Katar Einfluss ausüben will. Für die Gegner des Senders ist es ärgerlich, dass er mit seinem in der arabischen Welt populären Programm noch immer die Massen erreicht wie nur wenige TV-Kanäle. Mit dem Ableger Al Jazeera English macht er international aber auch CNN und der BBC Konkurrenz. Von Sarajevo aus sendet Al Jazeera zudem ein eigenes Programm für den Balkan. Das arabische Programm erreicht bis zu 190 Millionen Seher, das englische 80 Millionen (hier geht es zum Live-Stream).
Dabei ging der Sender indirekt aus der BBC hervor: 1996 musste die British Broadcasting Corporation ihren arabischen Standort schließen, da Saudi-Arabien keine kritische Berichterstattung mehr wünschte. Kurz darauf gründete Hamad bin Chalifa Al Thani, damals Staatsoberhaupt von Katar, Al Jazeera - und übernahm 17 der entlassenen BBC-Mitarbeiter. "Bei allen Bedenken, die man gegen Al Jazeera bis heute haben muss, hat den Sender ausgezeichnet, dass es keine Hofberichterstattung - à la ,Der König hat heute das gemacht. Der Emir hat heute das gesagt' - gegeben hat. Die Informationsart war vergleichbar mit dem arabischen Programm der BBC", sagt Karin Kneissl, bestätigt allerdings auch die Skepsis gegenüber dem Sender: "Natürlich ist die Berichterstattung teilweise gefärbt, aber das kann man ebenso Fox News oder der BBC zum Vorwurf machen."
"Bei uns läuft alles wie immer", sagt Salah Negm, der für Al Jazeera English arbeitet. Die Frage nach dem politischen Einfluss seines Geldgebers hat Salah Negm schon oft gehört, diesmal antwortet er mit einer Gegenfrage: "Die Deutsche Welle wird von der deutschen Regierung finanziert. Würden Sie ihr dieselbe Frage stellen?" Der 60-Jährige hat früher für die BBC gearbeitet und lange in Holland gelebt, er kennt die Medien im Westen. Al Jazeera könne so frei arbeiten wie die Deutsche Welle, sagt er: "Wir bekommen von niemandem Anweisungen." Mehrfach zählt er die Leitlinien für Al Jazeeras Berichterstattung auf: "Genauigkeit, Fairness, Ausgewogenheit." Negm will es nicht sagen, doch insgeheim dürfte er sich über die Vorwürfe der anderen Staaten gegen Al Jazeera wundern. Saudi-Arabien etwa finanziert mit dem in Dubai ansässigen Kanal al-Arabiya einen eigenen Nachrichtensender, der ganz im Sinne des Königreichs berichtet. Dem Emirat Abu Dhabi wiederum gehört zur Hälfte Sky News Arabiya.
"Vor dem Hintergrund der arabischen Revolte im Frühling 2011 wurde Al Jazeera fast zum Dreh- und Angelpunkt der Berichterstattung. Selbst im Weißen Haus sahen alle diesen Sender", sagt Karin Kneissl und präzisiert einen Vorwurf der Saudis: "Auf Al Jazeera sind Propaganda-Prediger zu sehen, von denen einer etwa in Großbritannien und Frankreich Einreiseverbot hat." Allerdings auf dem arabischen Kanal, nicht auf dem englischen. Was glaubt Kneissl, wie die Geschichte endet? "Dass Al Jazeera geschlossen wird, kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht kommt es zu kleineren Adaptierungen in der Berichterstattung, mehr aber auch nicht."