Wiewohl es 2017 keine Olympischen Spiele gibt, freuen sich Wintersport-Fans im Februar und März auf vier Großereignisse: die Ski-WM in St. Moritz (6. bis 19. Februar), die Biathlon-WM im Kleinod Hochfilzen (8. bis 19. Februar), die Nordische Ski-WM in Lahti (22. Februar bis 5. März sowie die Special Olympics in Schladming und Graz (14. bis 25. März). Etwas kleiner, aber nicht minder wichtig: die IPC-Behinderten-Ski-WM in Tarvis vom 26. Jänner bis 1. Februar. Wer sich für Sport im Fernsehen nicht so begeistern kann, sollte jetzt besser nicht weiterlesen, denn der ORF zeigt alles – in ORF eins und bei ORF Sport+. Verantwortlich dafür ist Sportchef Hans Peter Trost.
Herr Trost, ein Millionenpublikum am Wochenende während den Hahnenkammrennen, ein Millionenpublikum Dienstagabend beim Slalom in Schladming. Wie glücklich macht Sie ihr Job oder hören Sie auch oft, dass es keine große Kunst sei, mit so einem Angebot gute Quoten einzufahren?
HANS PETER TROST: Auf der einen Seite freue ich mich, dass ich diesen Job habe, weil er eine unglaubliche Bandbreite abbildet: Einerseits hardcore Management, andererseits Programmgestaltung, die vom Publikum angenommen wird. Und mir geht es nicht nur darum, wer schaut zu und wie viele, sondern wir messen auch jedes Jahr die Qualität. Dazu gehört eine intensive Qualitätsdiskussion mit ausgesuchten Zusehern. Solange wir da im "Sehr gut"-Bereich benotet werden, ist es noch besser. Aber es stimmt, dass man auf der anderen Seite sagt: Für Sportübertragungen werden viele Mittel aufgewandt. Das ist immer ein Thema und dieser Diskussion müssen wir uns stellen. Das betrübt zwar weder noch bedrückt es mich, aber es beschäftigt einen.
Wie leben Sie mit der Diskussion um die hohen finanziellen Mittel für Übertragungsrechte an Sportgroßereignissen? Werden Sie lieber dafür kritisiert, zu viel Sport anzubieten als dafür, dass es zu wenig Sport im ORF gibt?
TROST: Ich glaube, wir haben den Mittelweg gefunden. Es geht uns um die Mixtur. Habe ich den journalistischen Anspruch, etwas zu zeigen, was gerade wesentlich ist, z. B. Dominic Thiem spielt im Finale oder Ähnliches? Journalistisch: Ja! Kann ich es mir auch leisten? Darauf lautet die Antwort oft: Nein. Dazwischen ist unser Spagat zu machen. Und da bewegt sich auch die Kritik: zwischen zu viel Sport im ORF und noch immer zu wenig.
Es gibt Zuseher, denen der ORF zu wenig Sport zeigt?
TROST: Ja. Die Kritik zwischen zu viel und zu wenig hält sich die Waage. Es gibt Menschen, die kritisieren, dass wir nur ein Champions-League-Spiel pro Runde zeigen. Mehr Spiele zu zeigen, ist aber weder leistbar noch machbar.
Derzeit zeigt der ORF so gut wie alles außer der Fußball-Europa-League. Ist das Angebot nicht völlig ausreichend?
TROST: Stimmt, aktuell passt es. Für die Zukunft haben wir noch nicht oder vielleicht auch nicht die TV-Rechte des Österreichischen Skiverbandes, die werden jetzt ausgeschrieben. Ab der Saison 2018/2019 haben wir auch die Rechte an der Champions League und der heimischen Fußballbundesliga noch nicht – auch die werden jetzt ausgeschrieben. Und es kann natürlich sein, dass künftig nicht alle diese Rechte da sein werden.
Ist es denkmöglich, dass der ORF heimische Rennen wie in Kitzbühel, am Semmering, in Altenmarkt-Zauchensee oder Schladming nicht zeigt?
TROST: Denkbar ist alles.
Wäre die Kritik des Publikums nicht immens?
TROST: Verliert man Live-Übertragungen, weil man sich die Rechte nicht mehr leisten kann, ist die Kritik enorm, dass man diese nicht mehr hat, wie zuletzt bei ARD und ZDF in Sachen Olympische Spiele. Kauft man die Rechte, erhebt sich oft die Kritik, dass man zu viel gezahlt hätte.
Wie geht es einem damit?
TROST: Egal, welchen Schritt du setzt, du kannst nicht bei allen gewinnen. Es ist wie bei unseren Kommentatoren. Hast du mehr als 50 Prozent Zuspruch, hast du schon gewonnen. Du wirst nie alle glücklich machen, egal, was du tust.
Apropos Kommentatoren, Armin Assinger irritierte am Wochenende während der Herren-Abfahrt in Kitzbühel manchen Zuseher, indem er der Idee, dass auch die Damen über die Streif fahren könnten, abschätzig gegenüberstand (Details hier). Wie denkt der Sportchef über seinen Ski-Experten?
TROST: Man muss das im Kontext und der Emotion sehen. Und Kommentator Oliver Polzer hat ja auch korrigierend eingegriffen. Ich habe das mit Armin Assinger besprochen und es gibt unterstützende Maßnahmen für alle unserer Beschäftigten: Gender-Seminare oder auch im Bereich sprachliche Sorgfalt. Fehler passieren und wir wünschen uns das natürlich nicht dauernd, aber zum Glück sind wir keine Herzchirurgen, bei denen es um Leben und Tod geht.
Es kann also sein, dass Armin Assinger demnächst ein Gender-Seminar besuchen wird?
TROST: Angebote in diese Richtung gibt es jede Menge.
Christoph Steiner