Es ist soweit: Winnetou reitet wieder: Unzählige Kinder haben 1965 geweint, als der edle Indianerhäuptling (Pierre Brice) im Karl-May-Film „Winnetou 3“ in den Armen seines Freundes Old Shatterhand (Lex Barker) starb.
Doch nun hat RTL den Helden wiederbelebt, am Christtag startet mit „Winnetou – Eine neue Welt“ die sehenswerte dreiteilige Neuverfilmung des Klassikers. Diesmal schlüpfen Wotan Wilke Möhring und der albanische Schauspieler Nik Xhelilaj in die Hauptrollen.
Der erste Teil handelt vom Beginn der Freundschaft zwischen Winnetou und Old Shatterhand. 1860 kommt der abenteuerhungrige, aber blauäugige Ingenieur Karl May (toll: „Tatort“-Star Möhring) in ein elendes Eisenbahnernest in Arizona. Bei einem Erkundungsritt mitten durch das Indianergebiet entbrennt ein Kampf mit Apachen, May wird von einem Pfeil getroffen und im Indianerdorf von Nscho-tschi (Iazua Larios) gesund gepflegt, der Schwester von Häuptlingssohn Winnetou.
Wegen seines harten linken Hakens wird der Sachse bald nur noch Old Shatterhand genannt, er freundet sich mit Winnetou an und will zwischen Indianern und Weißen vermitteln. Doch der miese Vorarbeiter Rattler (Jürgen Vogel) verübt ein Massaker an den Apachen.
Viele Fans hatten befürchtet, RTL würde den legendären Stoff in seiner Adaption verhunzen.
Der neue „Winnetou“ von Regisseur Philipp Stölzl („Der Medicus“) ist aber weder eine Parodie noch ein Actionspektakel, sondern ein ernsthafter Western und nicht zuletzt ein gelungener Weihnachtsmehrteiler. Die alten Filme werden vielfältig zitiert. Wie damals wurde in Kroatien gedreht, immer wieder klingt die legendäre Filmmelodie der Kinoklassiker an.
Bloß das Magazin „Stern“ ortet einen „Skalptraum“: Alle drei Teile würden braves Cowboy-und-Indianer-Spiel auf dem sprachlichen Niveau der Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg bleiben. Die RTL-Filme stellen jedenfalls die Kritik an der rücksichtslosen Eroberung des Westens durch die Weißen und dem Völkermord an den Indianern in den Mittelpunkt – bisweilen werden Erinnerungen an „Der mit dem Wolf tanzt“ wach.
Winnetou trägt nicht etwa das allseits bekannte Wildlederoutfit mit den bunten Bordüren, sondern kämpft mit nacktem Oberkörper, Old Shatterhand futtert Schokolade aus seiner deutschen Heimat, die Indianer werden entweder untertitelt oder sprechen gebrochenes Deutsch.
Inhaltlich wurde einiges geändert. Gravierendster Unterschied: Winnetous Schwester Nscho-tschi stirbt diesmal nicht früh, weil die Macher der Trilogie Wert auf eine weibliche Hauptfigur legten.
Cornelia Wystrichowski