Dem ATV-Geschäftsführer Martin Gastinger scheint es sehr ernst zu sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass er der jährlichen Programmpräsentation seines Privatsenders am Dienstag eine medienpolitische Abrechnung inklusive Lösungsansatz voranstellt. "Es geht uns gut", betonte er, wenngleich ATV auch 2015 wieder Verluste in zweistelliger Millionenhöhe geschrieben haben dürfte. Noch wurde keine Bilanz vorgelegt. Allerdings ist man Verluste am Sendersitz Leopoldstadt gewöhnt und sie dürften laut Gastinger "ähnlich" wie in den Jahren zuvor sein.
Von einem Verkauf des Senders sei man "weit entfernt", betonte er und spielte auf diese Ende August artikulierte Absicht von ATV-Inhaber Herbert Kloiber an. Der Filmhändler habe sich mit diesem Statement auch "wachrütteln" wollen. Gastinger wetterte gegen die Schieflage in der heimischen Senderlandschaft. So würde RTL-Vermarkter IP Österreich 20 Prozent des Werbevolumens nach Deutschland abziehen, weitere 40 Prozent gingen an die ProSiebenSat.1-Gruppe, wovon nur sechs Prozent auf dessen Österreich-Tochter Puls 4 entfielen. Von den übrigen 40 Prozent gingen 27 Prozent an den ORF.
"In Österreich wird diskutiert, wieviel Millionen der ORF noch brauchen könnte und um wieviel die Presseförderung aufgestockt werden solle", ärgert sich Gastinger. Kaum Relevanz für Österreichs Medienpolitik habe aus seiner Sicht, wer in Österreich "produziert und Journalisten auch anstellt" wie etwa ATV und Servus TV. "Wir haben in Österreich einen unfassbaren Zustand, dass es Unternehmungen gibt, die Werbegeld vom österreichischen Markt wegnehmen und keine Wertschöpfung in Österreich lassen. Das sind Google, Facebook und viele deutsche Privatsender, die hier gar nichts produzieren, sondern nur die Werbung verkaufen. SevenOneMedia hat sieben Sender, aber außer Puls 4 produziert kein einziger in Österreich. Und das Durchschalten von Nachrichten ist keine Wertschöpfung", sagt Gastinger zur Kleinen Zeitung.
Mit allen medienpolitischen Sprechern habe sich Gastinger bereits getroffen, mit allen Parteichefs habe er bereits Termine, um seine Lösungsidee weiter voranzutreiben: "Wenn man von diesen 600 bis 800 Millionen Euro brutto, die aus Österreich an Werbegeld pro Jahr abfließen, einen gewissen Anteil besteuert und diesen nicht an den Finanzminister, sondern in einen Topf für Medienförderung abliefert, wäre das eine Summe von 150 bis 200 Millionen Euro. Das kann dann an alle heimischen Medien verteilt werden, die hier produzieren – von ATV über Servus TV und den ORF bis hin zu den Printmedien."
Gastinger forderte auch, die Sendeanlagen (ORS), an denen der ORF 60 und Raiffeisen 40 Prozent hält, vollständig zu privatisieren. Die Privatsender würden so den ORF querfinanzieren. ATV habe bisher einen zweistelligen Millionenbetrag an die ORS gezahlt. Gastinger kritisierte weiters, dass der Fernsehfonds zu 95 Prozent ORF-Produktionen fördere. ATV habe für "Pfusch am Bau" heuer 112.000 Euro erhalten während "Soko Donau" seit dem Start 2005 insgesamt 19,5 Millionen Euro bekommen habe.
Aber ATV präsentierte am Dienstag am Donaukanal in Wien auch sein neues Programm und seine Mediathek ATVsmart – "das erste österreichische Netflix, nur ohne dafür zu bezahlen", verkündete ATV-Prokuristin Ina Bauer stolz. Ab 27. Oktober werden rund 2000 Folgen aus 175 Staffeln von über 100 Formaten kostenlos und uneingeschränkt abrufbar sein. Vorerst ist die Video-on-Demand-Plattform via HbbTV und über www.ATVsmart.tv abrufbar. 2017 sollen Apps für Tablets und andere mobile Geräte folgen.
Im klassischen TV-Programm laufen bei ATV zehn neue Eigenproduktionen an. Dazu zählen "Manieren statt Blamieren", einer Art Knigge fürs Privatfernsehen, Slapstick-Comedy von und mit Christoph Fälbl und Andi Moravec und "Der Speck muss weg", eine Abnehmshow. Bei "Kekserlzeit " backen Stars wie Toni Polster Süßes, bei "Taxler der Stars" werden diese chauffiert und Günther Nussbaum präsentiert in "Kein Pfusch am Bau" nun, wie man diesen verhindert. Einblicke ins Leben der jungen Österreicher gibt es beim Format "Generation Zukunft: krasse Teenager" und der Titel hält, was er befürchten lässt. Die Szenen erinnern an "Teenager werden Mütter", nur ohne Schwangerschaft. Neue Staffeln gibt es von „Bauer sucht Frau" mit Arabella Kiesbauer, "Pfusch am Bau" mit Günther Nussbaum, "Der große Österreich-Test" mit Andi Moravec und "Autorevue TV" mit Christian Clerici.
Christoph Steiner