Wer letztens in Wien ein Golfcar erblickte, das mit einem Sarg beladen auf den Hernalser Müllplatz einbog, der meinte vielleicht, im falschen Film zu sein. Der Film ist eine Serie und zwar eine, über die nächstes Jahr einiges zu hören und lesen sein wird. „Drunter & Drüber“ heißt die Friedhofssatire, die Amazon Prime Video nicht zufällig in der Bundeshauptstadt drehen lässt: Das Handwerk des Bestattens hat hierzulande seit 2022 den Status des immateriellen Kulturerbes.

Der Serientitel ist Beschreibung eines Tumults und auch wörtlich zu verstehen: Nicht nur an der irdischen Oberfläche wird die Geschichte von ungleichen Friedhofsverwaltern erzählt, auch in den Gräbern ist einiges los. Die achtteilige Serie beginnt damit, dass am fiktiven Wiener Friedhof Donnersbach eine Krise ausbricht. Nach dem Tod des bisherigen Leiters – er wird von einer Grabstatue erschlagen – kämpfen Heli Wondratschek (Ofczarek) und Ursula Fink (Jentsch) um die Herrschaft in diesem Totenreich.

Weil heutzutage aber immer verbrannt und weniger eingegraben wird, hat der Friedhof ein Nachwuchsproblem. Es braucht in diesem fiktiven Friedhofsuniversum also neue Idee: Urnentöpfern lautet ein Vorschlag, „Wir brauchen einen Falco“ ein anderer. Wer möchte nicht auf einem Promi-Friedhof beerdigt werden, hofft die Schicksalsgemeinschaft. Darin verbirgt sich freilich ein Widerspruch: Für die Gräberklientel mag der Spruch über den vor 26 Jahren verstorbene Musiker relevant sein, jüngere Streamingkunden dürften erst eine Google-Suche die Pointe erklären.

Hochkaräter sind auch in den Nebenrollen zu finden: von Burgschauspielerin Sarah Viktoria Frick bis zu den beiden Kärntner Schauspielerinnen Ulrike C. Tscharre und Johanna Orsini-Rosenberg.

Christopher Schiers Lieblingsszene

Große Teile der Serie entstanden am Hernalser Friedhof, wo großes Vertrauen zu großen Freiheiten führte, wie Produzentin Constanze Schumann verrät. Dadurch wurden Aufnahmen möglich, die nicht nur Regisseur Christopher Schier länger in Erinnerung bleiben werden. Bei einem Drehbesuch in Wien – aktuell werden die letzten Szenen aufgenommen – erzählt der „Ibiza Video“-Regisseur von einer Szene, in der die Figuren von Nicholas Ofczarek und Harald Windisch in einem eigens ausgehobenen Grab miteinander kämpfen: „Das zu drehen, war spannend, weil du in einem Grab kaum Platz hast“, erinnert sich Schier an die erdige Herausforderung in dreieinhalb Meter Tiefe. „Die Location war eine schöne Stelle, mit Blick über die Stadt und die beiden streiten in diesem Grab – das ist eine meiner Lieblingsszenen“, sagt Schier, der mit Ofczarek schon „Die Ibiza Affäre“ realisierte.

Der Burgschauspieler war erstes und wichtigstes Puzzlestück in der konkreten Serienplanung. Als er zusagte, schlossen sich die Reihen. Ihm Julia Jentsch an die Seite zu stellen, war Idee von Produzent Thomas Kienast. Jentsch und Ofczarek waren drei Staffeln lang die charismatischen Hauptfiguren in der Sky-Serie „Der Pass“, einem von der Kritik begeistert besprochenen Thriller. Diese endete mit der dritten Staffel, auch weil Sky 2023 entschied, keine weiteren deutschsprachigen fiktionalen Produktionen mehr drehen zu wollen. Amazon trägt gerne seines bei, diese Lücke zufüllen und das 2023 eingeführte Filmförderungsmodell FISA+ dient als Katalysator. Im Vorjahr drehte man die Superhelden-Horror-Satire „Beasts like us“ in Wien, nun also eine achtteilige Friedhofsserie.

Das Kuriose gefällt sich im Umfeld des Morbiden, in Wien noch etwas mehr als sonst wo, so heißt es. Für Ofczarek ist „Drunter & drüber allerdings „eine europäische Komödie, die in Wien spielt“, der österreichische Bezug sei nicht überzubewerten. Bei einem Drehbesuch im Otto-Wagner-Areal, wo jüngst auch der Jahrhundertwende-Krimi „Vienna Blood“ (ORF) entstand, ist von Lokalkolorit allerdings einiges zu spüren. Ofczarek lässt sein Organ im blühenden Lokalkolorit erklingen und die für die Presse zugänglichen Szenen sind durchaus österreichisch-Schwarzhumorig: Weil der Strom ausfällt, muss ein Herr Richter, Gott hab ihn selig, gekühlt werden. Womit? Mangels Alternativen greift man zum Speiseeise. Eine Jolly-Leiche.

Zu sehen ist die Amazon-Serie voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2025. Eine zweite Staffel ist inhaltlich angelegt, aber nicht zwingend. Ob „Drunter & Drüber“ wie „Der Pass“ ein mehrjähriges Projekt wird, ist eine Entscheidung von Amazon Video und indirekt des Zuschauer(interesse)s.