Seit zehn Uhr läuft die letzte Sitzung des ORF-Stiftungsrats vor der Sommerpause. Das 35-köpfige Lenkungsgremium über den größten Medienkonzern Österreichs muss sich mit der Finanzierungslücke beschäftigen, die zuletzt durch die neue Haushaltsabgabe im ORF-Budget aufgetaucht ist. Der ORF hat derzeit mit einer Finanzlücke zu kämpfen, die bis zu 50 Millionen Euro betragen könnte. Die Lücke ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es in der Realität viel weniger Haushalte geben soll, als das Finanzministerium bei der Berechnung der Haushaltsabgabe prognostiziert hat.

Zur Bewältigung will der ORF nun auf eine millionenschwere Reserve zurückgreifen, die bisher in ihrer Höhe nicht bekannt war: Auf einem „Sperrkonto“ des ORF, das von der Medienbehörde verwaltet wird, liegen derzeit mehr als 40 Millionen Euro, wie die Kleine Zeitung erfuhr. Dieses Guthaben stammt aus den Vorjahren. Auf diesem gesetzlich vorgesehenen Konto werden Beträge eingefroren, die der ORF zwar aus Gebühren eingenommen hat, die aber nicht für Öffentlich-rechtliches ausgegeben wurden.

Jedenfalls will der ORF Geld beheben – und zwar in den Jahren 2024 bis 2025 jeweils 19 Millionen Euro pro Jahr, wie ORF-Chef Roland Weißmann Donnerstag im Stiftungsrat ankündigte. Damit sollen Teile des Minus abgegolten werden. Flankierend sollen Sparmaßnahen erfolgen. Dem ORF fehlen im Vergleich zu der Prognose des Finanzministeriums rund 33 Millionen Euro, die aus rund 180.000 Haushalten kommen sollten, die es aber offenbar nicht gibt. Eine Sonderkommission beschäftigt sich im ORF mit der Suche. Alle Fraktionen fordern nun Aufklärung über die „Geisterhaushalte“.

Nationalrat beschloss neues Medienpaket

Dazu kommen noch rund 80.000 Haushalte, die bisher zahlungsunwillig sind. Der ORF geht davon aus, dass der Rechtsweg zu beschreiten sein wird. Auch hier könnte es zu einer Überraschung kommen, beschäftigt sich doch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit der Zulässigkeit der Haushaltsabgabe. Zuletzt hatte das Höchstgericht das ORF-Gesetz wegen eines anderen Punkts aufgehoben und eine Reparatur bis April 2025 gefordert.   

Die Bundesregierung hat indessen noch ein Medienpaket auf den Weg gebracht. Es bringt acht Millionen Euro mehr Förderung pro Jahr für privates TV und Radio. Die Privatrundfunkförderung von 20 Millionen Euro pro Jahr auf 25 Millionen aufgestockt. Für nicht kommerzielle Kanäle gibt es 1,25 Millionen mehr, für die DAB-Umstellung eine Million. Erstmals werden auch Podcasts aus den Bereichen Medien- und Digitalkompetenz, Information, Kultur, Bildung und Wissenschaft mit 500.000 Euro gefördert. Das Doppelförderverbot bei der Publizistikförderung wird aufgehoben.

In einer ersten Version war von 90 Millionen Euro auf dem Sperrkonto die Rede. Diese Information wurde korrigiert.