Es ist der Ritterschlag“, „Man zweifelt jedes Jahr aufs Neue“, „Es ist Nervenkitzel pur“, „Es ist beängstigend“, „Ich kriege Gänsehaut, wenn ich nur daran denke“ – so viel steht fest, hinter den Töpfen stehen alle unter Druck. Hast du keinen Michelin-Stern, willst du einen, hast du einen, willst du zwei oder gar drei. Der Weg dorthin ist steinig, stressig und der Nervenzusammenbruch beständig nahe. Selbst Tim Raue, Berliner Spitzenkoch mit acht Restaurants und zwei Sternen, kriegt bei der Erinnerung an seinen ersten Stern doch tatsächlich nasse Augen. Schon in den ersten Minuten von „Star Kitchen“ ist diese Erfolgslust, die Sehnsucht nach der Anerkennung der eigenen Leistung, der eigenen Kreativität greifbar. Nach „Herr Raue reist! So schmeckt die Welt“ und „Der Restaurantretter“ (beides RTL+) bleibt Tim Raue ganz in seinem Metier, der Spitzengastronomie. In der sechsteiligen Serie begleitet Raue fünf junge Köchinnen und Köche auf dem Weg zum ersten oder gar zweiten Michelin-Stern, dem Nonplusultra in der Gourmetwelt.

Vor genau zwei Jahren hat die Serie „The Bear“ (Disney+) mit Jeremy Allen als Spitzenkoch, der einen Imbiss übernimmt, für Furore gesorgt: Die Serie wurde für die reale Abbildung des Alltags hinter den Gastronomiekulissen frenetisch bejubelt und mehrfach ausgezeichnet. In der zweiten Staffel führt er sein Team in Richtung Spitzengastronomie. „Star Kitchen“ ist die Realität. Zwischen Hochglanzküchen, piekfein poliertem Besteck und großer Inszenierung, muss die Perfektion dein ständiger Begleiter sein. Regisseurin Martina Hänsel schafft es, die Protagonisten persönlich zu filetieren und auszuleuchten – was treibt sie an, wovor haben sie Angst? Letzteres wird schnell klar: Wer einen Stern hat, hat Angst, ihn zu verlieren. Auf den Jubel folgt die Panik, die Verpflichtung, das Niveau halten zu müssen und zu steigern. Hinzu kommt, dass ein Michelin-Stern auch ökonomisch ein Gewinn ist. Der Verlust also nicht nur einer von Prestige ist, sondern auch von Geld. Spitzengastronomie ist der einzige Hochleistungssport, der abseits des Spielfeldes stattfindet.

Es ist der Druck von allen Seiten, den die Serie gut einzufangen weiß: Restaurantbetreiber, Kundinnen und Kunden, der permanente Zeitdruck, die Erwartungshaltung, der übliche Alltagsstress in einer Küche. Und doch gibt es da auch diese Momente allerhöchster Kreativität und Leidenschaft, wo inmitten schwerer Pfannen und Töpfe fünf Leute an einem Tellerchen ganz vorsichtig mit Pinzetten hantieren, als würden sie gerade eine Hightech-Operation durchführen. Mittendrin Tim Raue, der im Sinne eines Mentors das Feuer zwar befeuert, aber den Topf gerade noch vor dem Überkochen wegzieht.

Bewertung: ●●●●○

„Star Kitchen“ ist auf Amazon Prime zu sehen.

Voller Einsatz in der Spitzengastronomie
Voller Einsatz in der Spitzengastronomie © Warner Bros.
Formvollendet: Sternenküche ist ein Knochenjob
Formvollendet: Sternenküche ist ein Knochenjob © Warner Bros.
Jeremy Allen White in der Serie „The Bear“
Jeremy Allen White in der Serie „The Bear“ © Imago