Als Kind reicher Eltern kann man es sich gut gehen lassen. Das hat auch Kabarettist David Scheid begriffen, der seit 2020 als „Dave“ in der gleichnamigen ORF-Mockumentary hemmungslos durchs Leben prokrastiniert. Wenn‘s mit der erhofften Web-Karriere nicht klappt, werden‘s Mama und Papa schon richten – so das Motto des rülpsenden Möchtegern-Influencers. Und genau so wie man ihn aus der eigenen Serie kennt, hat Scheid seine wenig schmeichelhafte Kunstfigur im Grazer Orpheum auf die echte Bühne geholt: mit Tschick in der linken, Energydrink von S-Budget in der rechten Hand. Die verwahrloste Wohnung aus dem TV hat der Komiker gleich mit im Gepäck; leere Dosen und Chipssackerl türmen sich neben der Couch, im Hintergrund wird durch Poster und Fahnen den größten Leidenschaften gefrönt: Robert Pattinson und Cannabis. „Sheesh“, brüllt es lauthals durch den Raum. Es sollte nicht das einzige Mal sein; das beliebte Jugendwort gehört zum Dave‘schen Fernseh- und Bühnen-Auftreten ebenso fix dazu, wie Szenenpartner Jan, der unseren Antihelden während seiner Eskapaden mitfilmt.

Im ORF allerdings nur als Stimme aus dem Off. Im Live-Programm bekommt man den sonst unsichtbaren Sidekick, dessen Schauspieler Jan Frankl im Übrigen der Kopf hinter der Sendung ist, endlich auch zu Gesicht. Dem Sprichwort, dem zufolge Gegensätze sich anziehen, erweist das ungleiche Gespann alle Ehre: Dave, der sich selbst überschätzende Rüpel aus vermögendem Haus; Jan, der dauer genervte Wegbegleiter, der seinen Mitbewohner eigentlich nur loswerden will.

Auf Regeln wird gepfiffen

Dass die zwiespältige Beziehung des Duos auf der analogen Bühne mindestens genauso gut funktioniert wie in der Flimmerkiste, ist dem Mut zur Improvisation zu verdanken. Auswendig herunter geratterte Gags sind Mangelware, die besten Pointen ergeben sich aus der Situation heraus. Selbst während nach Beginn der Show weiterhin Leute eintrudeln, lässt sich Scheid nicht aus seiner Rolle bringen.

Ein chaotisches Naturell gibt der Show jedenfalls einen Hauch von Unberechenbarkeit, den man in pseudointellektuellen Kabarett-Häusern gewöhnlich vermisst. Wobei: das Dargebotene hat mehr mit Performance Art gemein, als mit Kabarett oder Stand-Up im klassischen Sinne. Wenn Dave mittendrin plötzlich auf die Toilette abhaut und eine peinliche Stille den Raum erfüllt, fühlt man sich an die Dada-Komik von Andy Kaufman erinnert, der im Amerika der 1970er sein Publikum gerne mit Fragezeichen im Gesicht zurückgelassen hatte. Die Vorstufe dessen, was man heute „Trolling“ nennt. Auf Regeln wird prinzipiell genüsslich gepfiffen: mal macht man einen auf Shakespeare, mal wird eine Pizza bestellt, mal gönnt man sich eine Ruhepause auf dem Sofa.

Die Zuschauerschaft scheint derweil in zwei Hälften geteilt: die, die das Satireprojekt „Dave“ originell und erfrischend finden; die, die den persiflierten „Rich-Kid“-Hedonismus unkritisch abfeiern und das Augenzwinkern verpasst haben. Letztere sind es auch, die in den hinteren Rängen leise Buhrufe erklingen lassen, als es zwischendrin auf einmal richtig ernst wird. Als eine Aktivistin der Letzen Generation kurz die Bühne übernimmt, um – ohne humoristische Zwischentöne – auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Es ist der vielleicht einzige Moment, in dem der prollige Dave in den Hintergrund rückt und ein Anliegen angesprochen wird, das seinem realen Counterpart am Herzen liegt.

Prolet und Poet

Im Gegensatz zu seinem lyrischen Vorbild Mag. Sebastian Meisinger alias Money Boy, der über die Jahre mit seiner Kunstfigur verschmolzen ist, teilt der echte David Scheid mit dem rüpelhaften „Dave“ kaum Eigenschaften. Höchstens noch die Liebe fürs Rappen und Feiern. Allerdings hat sich Scheid diese ohne Hilfe aus dem Elternhaus erarbeitet. Nach mehreren Kleinjobs, unter anderem als Filmvorführer oder Gärtner, begann er als DJ aufzulegen. Über den Wiener Unterground fand er auch Zugang zu Poetry-Slams, in denen er sich erstmals mit eigenen Textkreationen austobte. Von dort war es kein weiter Weg mehr zur Kabarett-Bühne; 2016 gewann er den begehrten Grazer Kleinkunstvogel und präsentierte daraufhin sein erstes Solo-Programm. Seit der Kreation seines Alter Egos „Dave“, der gelegentlich auch als Reporter bei „Willkommen Österreich“ zum Vorschein kommt, will sich Scheid zusätzlich als Schauspieler etablieren.

Seit Kurzem auch nicht mehr nur im komödiantischen Rahmen: im verstörenden Psychodrama „Des Teufels Bad“ gab er sich unlängst von einer ganz anderen Seite zu erkennen. Co-Regisseur Severin Fiala lobte Scheid nach der Zusammenarbeit als „klug und sensibel“. Dass selbst auf der Bühne ein großer Menschenfreund durchscheint, macht den Reiz hinter der Figur „Dave“ womöglich so unwiderstehlich.