30 von 35 ORF-Stiftungsräten haben den Brief an Peter Westenthaler unterschrieben, den man als deutlichen Schuss vor den Bug verstehen darf. Vor einer Aufzählung von publikumswirksamen Äußerungen des 56-jährigen Wieners, der seit März dieses Jahres im obersten Aufsichtsgremium des ORF sitzt, heißt es: „In den vergangenen Wochen haben Sie öffentlich Äußerungen über den ORF und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF getätigt, die als Verletzung Ihrer gesetzlichen Pflichten als Stiftungsrat des ORF qualifiziert werden können.“ Westenthaler solle sich über die rechtlichen Grundlagen und über die Folgen von Pflichtverletzungen informieren, legen ihm die Unterzeichner des Briefes nahe.

Angeführte Beispiele der Pflichtverletzungen

  • „Das aktuelle Motto des ORF ,wie wir‘ – wunderbares Marketing, kannst gleich in den Mistkübel schmeißen und draufschreiben: ,Weit weg wie wir von den Menschen!‘“
  • Die hohen Gehälter und Pensionen seien „auch der Grund dafür, dass der ORF zahlreiche Rechte im Bereich der Sportberichterstattung verloren habe.“
  • Der ORF sei eine „Propagandamaschine“.
  • „Unter dem Deckmantel der Unabhängigkeit“ werde „parteipolitische Agitation betrieben“.
  • „Der ORF nimmt einfach Daten her, übernimmt Kontodaten, schubst mit denen herum, jongliert und überweist dann und bucht ab.“

Fazit der 30 Kollegen im Stiftungsrat, die den Brief bzw. das Mail unterschrieben haben: „Wir fordern Sie auf, weitere unternehmensschädigende und herabsetzende öffentliche Aussagen zu unterlassen. Sachliche Kritik ist wesentlicher Teil unserer Aufgaben als Organ des ORF und unverzichtbar für dessen Weiterentwicklung.“

Als einer von wenigen hat Heinz Lederer (SPÖ-„Freundeskreisleiter“ im Stiftungsrat) den Brief nicht unterzeichnet. Er suche nämlich eine andere Art der Auseinandersetzung; das sei in keinster Weise als Schulterschluss mit Westenthaler zu verstehen. Da sich das Gremium aber derzeit ohnehin in einer Legitimationsschwäche befinde, müsse der Diskurs anders geführt werden. Ein Brief inklusive „versteckter Klagsdrohung“ sei nicht der richtige Weg. Von der Linie der FPÖ, die auf eine Zerstörung des ORF hinauslaufe, distanziere sich Lederer klar.

Der Adressat hat schon reagiert

Peter Westenthaler selbst will sich in einer Reaktion auf den Brief nicht den Mund verbieten lassen und steht zu jeder seiner Aussagen. Er wolle weiterhin seine Meinung kundtun und sich zu „Fehlentwicklungen“ im ORF äußern. Wörtlich schreibt er in seiner prompten Anwort: „Auch Grün und Türkis/Schwarz im Stiftungsrat werden sich daran gewöhnen müssen, dass ich an den zahlreichen Fehlentwicklungen im ORF, bei denen Sie meist nur stumm und tatenlos zusehen, meine offene Meinung äußere.“

Westenthaler interpretiere das Schreiben sogar „als durchaus positive Reaktion. Nämlich als Ergebnis eines gelungenen Weckrufes meinerseits“. Der frühere BZÖ-Chef tritt regelmäßig bei Fellners Sender Oe24.tv in Talksendungen auf.

Stiftungsrat Peter Westenthaler im Sitzungssaal auf dem Küniglberg
Stiftungsrat Peter Westenthaler im Sitzungssaal auf dem Küniglberg © APA/Schlager

Klaus Poier, steirischer Stiftungsrat und Leiter der Compliance-Gruppe, erklärte auf Anfrage: „Es gehört zu unseren gesetzlichen Aufgaben als Stiftungsräte, Fehler aufzuzeigen und Reformen zu fordern. Aber das gehört zuerst einmal intern im Stiftungsrat diskutiert und in der Öffentlichkeit jedenfalls nicht in einer Form, dass das Unternehmen und seine Mitarbeiter geschädigt werden. Wir haften auch persönlich nach dem Gesetz für allfällige solcher Schäden. Wer die Aufgabe eines Stiftungsrates übernimmt, hat diese gesetzlichen Verpflichtungen zu respektieren und zu erfüllen.“