Die Feierlichkeiten mussten krankheitsbedingt verschoben werden, aber an dieser Stelle ein Blick zurück auf das Wirken eines Wilden, der in seinem Werk die Schönheit nicht ausklammert. Das Jahr 1970 markiert das Ende des Wiener Aktionisten Günter Brus. In diesem Jahr lädt der Künstler in München zur "Zerreißprobe". Zur letzten jener Performances, mit welchen der 1938 im obersteirischen Ardning Geborene gemeinsam mit Otto Mühl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler so berühmt wie berüchtigt wurde. Es waren Aktionen, die auf Körpereinsatz an den Grenzen des Zumutbaren und Erträglichen setzten.

Der Wechsel vom Aktionisten in das Fach des Bild-Dichters war also ein existenziell zwangsläufiger. Vorausgegangen waren diesem finalen Akt der Selbstbeschädigung ab 1965 Aktionen wie "Selbstbemalung I" und "Selbstbemalung II", bei denen Brus seinen mit Weiß grundierten Körper gewissermaßen mit schwarzer Farbe auseinanderschnitt. Ganz in Weiß, mit einer schwarzen Naht, die vom Nabel weg über das rechte Bein zu den Zehenspitzen verlief, unternahm Brus im nämlichen Jahr seinen "Wiener Spaziergang". Einen fast heiteren Ausflug durch die Wiener Innenstadt, der dennoch in einer Polizeiwachstube endete. Für Günter Brus war "Wiener Spaziergang" kein Gag. Als Zombie, als Untoter, Unerlöster drang er in eine Welt ein, die ihm seinerseits von Zombies beherrscht schien. In eine Gesellschaft, die sich weigerte, für ein noch gar nicht so lange zurückliegendes finsteres Kapitel ihrer Geschichte Verantwortung zu übernehmen.