Ralph Gleis ist der künftige Generaldirektor der Albertina. Der derzeitige Direktor der Alten Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin hat sich gegen 19 Bewerberinnen und Bewerber durchgesetzt. Der deutsche Kunsthistoriker folgt mit 1. Jänner 2025 auf Klaus Albrecht Schröder, der sich nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze des Hauses nicht wieder beworben hatte.

"Herr Gleis hat die Findungskommission und dann auch mich mit Kompetenz und Erfahrung überzeugt, aber auch mit seiner Aura der Professionalität, seiner Begeisterung für die Albertina und mit seinen Ideen zu den Sammlungsbeständen, die er als Chance und nicht als Einschränkung begreift", so Mayer in ihrem Statement bei der Pressekonferenz. "Ralph Gleis deckt uneingeschränkt alles ab, was man sich für den Leiter eines Hauses dieser Dimension wünschen kann. Ich sehe die Albertina in diesem Sinne auch nach der beeindruckenden Ära Schröder in den besten Händen."

Wien-Kenner kehrt zurück

Gleis ist mit Wien bereits bestens vertraut: Er war von 2009 bis 2016 als Kurator im Wien Museum tätig und gestaltete dort unter anderem Ausstellungen zu Gustav Klimt, Hans Makart und die Wiener Weltausstellung. Er gilt als Spezialist für die Klassische Moderne und die Kunst des 19. Jahrhunderts, seine Dissertation an der Universität Köln verfasste er zur Historienmalerei im 19. Jahrhundert. Sein beruflicher Werdegang führte ihn über das Deutsche Historische Museum in Berlin, das Königliche Museum der Schönen Künste in Antwerpen sowie das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, bevor er nach Wien wechselte.

"Die Albertina war für mich persönlich immer ein ganz besonderer Ort der vielfältigsten Begegnungen mit Kunst", betonte Gleis: "Ich bin mit der Stadt, mit der Albertina verbunden." Konzeptionell erinnerte der 49-Jährige an die Neuorientierung der Albertina von der Grafiksammlung hin zum international bedeutenden Museum: "Diese Transformation birgt ganz viel Zukunftspotenzial und auch die Herausforderung, dieses Konzept auf seine Tragfähigkeit zu überprüfen."

Zugleich versicherte der Kunsthistoriker: "Es spielt weiterhin ein attraktives und innovatives Ausstellungsprogramm eine Rolle. [...] Wer die Albertina heute liebt, der wird sie auch in Zukunft lieben." So bekannte sich Gleis zur neu begründeten Albertina Modern. "Der Austausch ergibt eine größere Möglichkeit in Richtung auf Sammlungsstrategien."

Das gelte auch für eine etwaige Neueröffnung des einstigen Essl-Museums als dritter Standort. Auf der anderen Seite wolle er aber auch die "sammlungsbasierte Forschung" ausbauen und das Haus zu einem Kompetenzzentrum für die Kunst auf Papier machen. Und nicht zuletzt wolle er die internationalen Kooperationen genauso wie jene mit anderen Bundesmuseen steigern.

Führendes Kunstmuseum

Die Albertina in der Wiener Innenstadt zählt zu den führenden Kunstmuseen Österreichs. Herz- und Kernstück des Hauses ist die grafische Sammlung, die "größte der Welt" nach Angaben des Hauses. Diese beinhaltet weltberühmte Werke wie Albrecht Dürers "Feldhasen", "Das große Rasenstück" und "Die betenden Hände". Gezeigt werden aber auch Malerei und Skulptur. Alle Gattungen der Kunst, auch die Fotografie, sind heute in der Albertina vertreten.

Die grafische Sammlung alleine umfasst rund 50.000 Zeichnungen und Aquarelle sowie 900.000 druckgrafische Arbeiten. Die Zeitspanne reicht von der Spätgotik bis zur Gegenwart – mit Künstlern von da Vinci bis Rubens, von Rembrandt bis Cézanne, von Schiele über Klimt bis Kokoschka, von Picasso über Warhol bis Baselitz. Von besonderer Bedeutung sind die Dürer-Bestände. Der Namenspatron der Albertina, Herzog Albert von Sachsen-Teschen (1738–1822), hat von 1770 bis zu seinem Tod systematisch grafische Blätter und Zeichnungen gesammelt und rund 14.000 Zeichnungen und 200.000 druckgrafische Blätter zusammengetragen.

Der berühmte Dürer-Hase der Albertina wurde zuletzt 2019/20 ausgestellt
Der berühmte Dürer-Hase der Albertina wurde zuletzt 2019/20 ausgestellt © APA/HERBERT NEUBAUER

Die 1776 vom Herzog gegründete Grafiksammlung, seit damals erweitert und auch um Zeitgenössisches ergänzt, wurde zusammen mit dem sie beherbergenden Palais 1919 als Museum für die Kunst von der Renaissance bis zur Gegenwart verstaatlicht. Die Albertina sei heute bewusst als janusköpfiges Haus positioniert, heißt es im Leitbild. Auf der einen Seite repräsentieren die renovierten und wieder mit Originalmöbeln ausgestatteten Prunkräume den fürstlichen Wohnstil der ehemaligen Habsburgerresidenz.

Andererseits ist die Albertina mit ihren großen Wechsel- und Dauerausstellungen ein modernes Museum. Seinen Rang als international bekanntes kulturelles Aushängeschild hat das Haus unweit der Staatsoper seinem aktuellen und seit Anfang 2000 amtierenden Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder zu verdanken. Er hat den Bau eines Tiefspeichers, die Errichtung eines Studiensaals, die Rückverlegung des Einganges hinauf auf die Bastei samt prägnantem Flugdach von Hans Hollein und die Wiedereröffnung des Museums im Jahr 2003 erreicht und gemanagt.

Neugründungen und Sammlungen

Schröder gründete die Fotosammlung der Albertina, positionierte die ehemalige Grafiksammlung als universales Kunstmuseum neu und steigerte die Ausstellungsfläche um ein Vielfaches. Der Schwerpunkt des Ausstellungsprogramms gilt den großen Meistern der Kunstgeschichte und den bedeutendsten Künstlerinnen und Künstlern unserer Zeit. Retrospektiven werden ergänzt von thematischen Ausstellungen zu wichtigen künstlerischen Bewegungen. Im Leitbild heißt es: "Aufgrund der Unteilbarkeit der Künste ist es seit 2000 unser erklärtes Ziel, die Kunst der Zeichnung nicht von anderen künstlerischen Medien und Techniken der Hauptmeister unserer Sammlungen zu trennen."

Klaus Albrecht Schröder verankerte die Sammlung Batliner in der Albertina – hier Pablo Picassos "Nackte Frau mit Vogel und Flötenspieler"
Klaus Albrecht Schröder verankerte die Sammlung Batliner in der Albertina – hier Pablo Picassos "Nackte Frau mit Vogel und Flötenspieler" © AP

Mit der Sammlung Batliner wurde 2007 erstmals in der Geschichte der Albertina eine Dauerausstellung in dem Museum verankert. Die umfassende Dokumentation aller Sammlungen zählt zu den Kernaufgaben des Hauses: Die Datenbank "Albertina Sammlungen Online" soll auch virtuell einer möglichst breiten Öffentlichkeit den Zugang zu den Meisterwerken der Albertina ermöglichen. Seit 2020 hat die Albertina mit der Albertina Modern auch eine Dependance im Künstlerhaus am Karlsplatz, in der im Wesentlichen Kunst nach 1945 präsentiert wird und die sich auch aus Beständen der Sammlung Essl speist. Der einstige Standort des Essl-Museums in Klosterneuburg soll bestenfalls ab Ende 2024 ebenfalls von der Albertina bespielt und als Schausammlung der Nachkriegskunst positioniert werden.