In seinen Filmen war er ein genau beobachtender Essayist, Poet, Fabulierkünstler, zugleich ein Propagandist radikaler Weltveränderung: 2014 ist der deutsche Filmemacher, Medien- und Gesellschaftstheoretiker Harun Farocki 70-jährig gestorben. Hinterlassen hat er mehr als 120 Filme und Installationen. Etliche davon befassen sich mit dem Thema Krieg und seinen auch als Kontroll- und Einschüchterungsinstrumenten einsetzbaren Medienbildern. Eine Auswahl dieser wird im steirischen herbst 2022 im Grazer Forum Stadtpark zu sehen sein: Die Schau "Harun Farocki gegen den Krieg" ist Teil eines Festivals, das sich heuer dem Thema "Ein Krieg in der Ferne" widmet.

Denselben Titel trägt auch die zentrale Ausstellung in der Grazer Neuen Galerie, die von 1. Juli bis 1. August einen "Prolog" erhält. Die Beschäftigung mit der nicht erst seit der russischen Ukraine-Invasion "drohenden Präsenz entlegener Schlachten" dient auch der Auseinandersetzung mit österreichischen Verdrängungskünsten – seit dem Antritt von Intendantin Ekaterina Degot im Jahr 2018 ein wiederkehrendes Thema im herbst. Wie stets dient die Programmpräsentation im Juni dem Festival vor allem zur öffentlichen Rahmensetzung, Details folgen Anfang September. Bereits konkretisiert ist aber nebst den genannten Großprojekten eine Kooperation mit der Zeitschrift "manuskripte": Eine Sondersektion wird sich aktuellen Texte aus der Ukraine widmen.

Als "Festival im Festival" befasst sich das "musikprotokoll" unter dem Motto "Whodentity" mit der Frage nach Zugehörigkeiten, das Literaturfestival "Out of Joint" unter dem Titel „Wer wir waren?“ nach Alternativen zum Istzustand. Das Forum Stadtpark wird mit Gastspielen von Verena Dengler, Les Truc und eSel zum Kabarettschauplatz – anknüpfend an die Tradition des "Forum-Zoo" in den 60er-Jahren. Gemeinsam mit uniT wird in der Südsteiermark eine Spurensuche zum langjährigen und quasi vergessenen Flüchtlingslager mit bis zu 22.000 Insassen in Wagna unternommen. Und auch der festliche Auftakt ist fixiert: Die Eröffnung auf dem Grazer Hauptplatz bestreitet der libanesische Multiartist Raed Yassin als groß angelegte Street-Performance, gemeinsam mit einer Jazzband und überdimensionalen Puppen. Ganz in der Nähe liegt das heurige Festivalzentrum: Die Bobo-Tränke "Feinkost Mild" in der Stubenberggasse wird zur "herbst bar" mit Gesprächsformaten wie "Drink & Overthink" und einer Art herbst-Pubquiz.

Wie immer lohnt sich besonders der Blick ins "Parallelprogramm" des herbst, das von rund 20 Institutionen und Kulturschaffenden im ganzen Land bestritten wird. In Hartberg legt etwa ein Kollektiv um Simon Brugner im Projekt "Haus lebt" in einem barocken Leerstand eine utopische Ausgrabung und will dort unter anderem zum "verwilderten Pizza-Frühschoppen mit DJ" laden. Und im Mürztal, berichtet Co-Librettistin Angelika Reitzer, wird mit "Regina, Königin der Vielfalt" nicht nur eine patriarchale lokale Legende umgedeutet. An dem partizipativen Opernprojekt sind auch Kinderchöre, Trachtenkapellen, Laienbühne, Lebenshilfe künstlerisch beteiligt.