Der enge, verwinkelte Stadtturm von Gmünd ist über die Jahre zu einer der ersten Adressen in Sachen Kunst von Weltgeltung herangewachsen und in seiner Bedeutung um vieles höher und wuchtiger, als seine baulichen Ausmaße erahnen lassen. Auch für die kommende Saison ist man wieder für ein aufsehenerregendes Großereignis bestens vorbereitet und darf sich – zu Recht – außerordentliches Interesse, auch über die Landesgrenzen hinaus, erwarten.
Was die kleine Stadt mit ihrem mittelalterlichen Gepräge rund um eine voluminöse Burg an außergewöhnlichen landschaftlichen Reizen zwischen Nationalpark Hohe Tauern und Biosphärenpark Nockberge zu bieten hat, wird immer wieder durch hervorragende Ausstellungen getoppt. Was im Jahr 1996 mit großen nationalen Malerikonen wie Herbert Boeckl und Max Weiler begann, fand seine Steigerung zur Weltkunst in den letzten Jahren mit den grafischen Meisterwerken Albrecht Dürers, den berühmten Radierzyklen Francisco de Goyas, dem farbstrahlenden Motivkosmos Joan Mirós, der Poesie von Henri Matisse und den einzigartigen Arbeiten William Turners, dem „Meister des Lichts“. Allesamt auf den Punkt gebrachte Projekte und kaum zu überbieten, wohl aber mit viel Wissen, Kompetenz und Beharrungsvermögen fortzusetzen. Erika Schuster, die famose Managerin des inzwischen zu internationalem Ansehen und Format angewachsenen Unternehmens, und ihr Team schaffen das.
Weltberühmte Blätter
Niemand geringerer als Pablo Ruiz Picasso (1881 bis 1973), ohne den die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts nicht erklärbar ist, hält jetzt Einzug in Gmünd. Zu sehen sind in größeren Formaten Farblinolschnitte, Aquatinta-Radierungen, Lithografien und Kaltnadel-Radierungen sowie der experimentelle Umgang mit diesen Techniken. Einmalig daran ist, dass die vielfach schon oft gesehenen, weltberühmten Blätter auch in den verschiedenen Stadien ihres Entstehens vorgestellt werden. Immerhin überdruckte Picasso seine Arbeiten immer wieder justierte nach.
Thematisch startet die Ausstellung mit der „Suite Vollard“, der wahrscheinlich bedeutendsten druckgrafischen Serie des vergangenen Jahrhunderts. Eine Zeitung bezeichnete sie als „Spaziergang durch Picassos Kopf ... oder durch andere Körperteile“ („The Guardian“). Und damit werden gleich die Leitmotive von Picassos gewaltigem Werk vorgestellt: der Künstler und seine Musen (Modelle) nebst dem sagenumwobenen Minotaurus, einer schrecklichen Menschenfigur mit Stierkopf (Sohn einer Prinzessin, die sich mit dem Stier Minos eingelassen hat), und die Friedenstaube. Dem folgen in einem weiteren Raum Bilder, die Picassos Leidenschaft für den Stierkampf illustrieren, und seine unvergleichlichen Tierzeichnungen, mit wenigen, dünnen Strichen hingeworfen. Schließlich rundet das Bild die oft kolportierte, aber kaum recht ausgelotete Geschichte von Picasso und den Frauen ab. In ganz späten Arbeiten reflektiert der Künstler sein Leben und stellt es noch einmal in den Rahmen, der für seine Jugend prägend war: den Zirkus.
Zu all dem gibt es einen wunderbaren Katalog mit klugen Texten und ein einnehmendes Animationsvideo. Eine Ausstellung, die sicher zum Erlebnis wird. Hier ist gleichsam in einem Konzentrat zu erfahren, was Picasso „noch“ ausmachte. Unbedingt besuchen und nicht versäumen!