Noch schrillen bei Stefan Draschan nicht die Alarmglocken. Museumslockdown hin oder her, sein virtuelles Atelier ist gut gefüllt: „Ich könnte noch ein paar Monate durchaus gute Bilder posten, um durch die Krise zu kommen“, so der gebürtige Oberösterreicher. Das sagt aber noch nichts über seine persönliche Befindlichkeit aus, denn „ich fühle mich nach drei Tagen ohne Museum unrund“. Über 300 Tage im Jahr verbringt der Fotograf in Museen, um der Kunst zu frönen, aber vor allem, um Museumsbesucher abzulichten. Dabei hat er ein Genre etabliert, das ihm international Beachtung eingebracht hat: „People matching Artworks“, also „Menschen, die zu Kunstwerken passen“, heißt sein 2015 gestartetes Projekt. Ein Ende ist nicht in Sicht, auch weil seine eigenen Ausstellungskanäle Website und Social Media zum Selbstläufer geworden sind.
Die Bilder sind nicht inszeniert, hat er anfangs Stunden für ein Bild gebraucht, liegt sein Rekord bei zehn Fotos in rund 90 Minuten. Draschan hat das Auge für Figuren, für Muster, für Größenunterschiede, für historische Zusammenhänge, für Stofflichkeiten, für Harmonien oder auch Dissonanzen zwischen Betrachter und Kunstwerk. Manchmal gleichen sich Farben, Hüte, Frisuren und nicht selten setzen sich – wie von Zauberhand – die Bilder auf den Kleidungsstücken der Betrachter fort und werden so raumgreifend.
Doch das, was Draschan über das Bildhafte hinaus einfängt, ist jene Faszination, jene Wechselwirkung, die zwischen Kunstwerk und Betrachter entsteht. Diese Intimität kann sehr emotional werden, so der Wahlberliner: „Ich zeige auch Menschen, die mit den Kunstwerken kommunizieren, und bemerke viele nachgeahmte Posen. Daran sieht man, wie Kunst Menschen beeinflusst.“ Den Lockdown der Museen und seine Folgen findet er geradezu paradox: „Ich versuche seit Jahren, mit dem Digitalen ins Analoge zu kommen, und jetzt drängen die Museen ins Digitale.“
Wobei das Internet ein wichtiger Platz für die Kunst sei: als Vermittlungsplattform für Kunstgeschichte, aber auch als Lockmittel, um die Sehnsucht nach dem Original im Museum zu wecken. Möglich, dass man ihn trifft, reicht sein Habitat vom Louvre über die Gemäldegalerie Berlin bis zum Kunsthistorischen Museum in Wien. Die Rosenkranzmadonna von Caravaggio zieht ihn dort magisch hin. Wollte man ihn, während er das Bild betrachtet, fotografieren, könnte man sich Zeit lassen: „Oft weiß ich gar nicht: Stehe ich da schon 20 Minuten oder gar eine Stunde?“