Das 35-Millionen-Euro-Projekt wurde schon lange vor seiner Öffnung auf viele Namen getauft: Tänzerin im Paillettenkleid, Betonfisch oder gedrehter Zinkwürfel. Der echte Name des Museums klingt vergleichsweise fad: Landesgalerie Niederösterreich.
Im Gegensatz zur Architektur. Am Wochenende öffnet der leichtfüßig anmutige Bau des Vorarlberger Architekturbüros Marte.Marte, der nach Karikaturmuseum und Kunsthalle einen dynamischen Schlusspunkt der Kremser Kunstmeile bildet – direkt vor dem Kreisverkehr.
7200 diagonal verlegte Zink-Titan-Schindeln verhüllen den 22 Meter hohen Betonbau, der sich scheinbar um die eigene Achse dreht und seine Spitze sehnsüchtig nach der Donau streckt. Bei einer Umrundung lässt er Schritt für Schritt neue Perspektiven zu. Die eingeschnittene Terrasse im dritten Obergeschoß offenbart einen hinreißenden Postkartenblick auf das Stift Göttweig jenseits des Flusses. Und der Dan-Graham-Pavillon „Inspired by Moon Window“ – eine Dauerleihgabe von Ernst Ploil – potenziert und spiegelt den Ausblick an dieser Stelle.
„Danke, dass Sie dafür gesorgt haben, dass die Wände auch schief bleiben“, richtete Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner Dankesworte an die Architekten und alle am Bau Beteiligten. Das Haus, dessen außergewöhnliche Form innen nicht immer spürbar ist, glänzt dennoch als Ausstellungsgebäude – fünf Schauen auf fünf Geschoße beweisen das. Zu sehen sind mehr als 500 Werke, die meisten stammen aus den Landessammlungen Niederösterreich, die über 100.000 Objekte enthalten.
Fünf Eröffnungsausstellungen
Renate Bertlmann muss man nach ihrem Rosenaufmarsch mit Messern im Österreich-Pavillon auf der Biennale niemandem mehr vorstellen. Mit „Hier ruht meine Zärtlichkeit“ widmet ihr Christian Bauer, künstlerischer Direktor der Landesgalerie, die erste Museumseinzelausstellung. Weihevoll hat sie gemäß ihrem Leitmotiv „Amo ergo sum“ („Ich liebe, also bin ich“) einen weißen Grabstein arrangiert, gegenüber setzt sie ihre Urnenwand fort, in der 70 ihrer Freunde 70 Objekte in Zylindern versiegelt haben. „Es ist ein Ort des Geheimnisses, der Stille, des Rückzugs“, so Bertlmann, die auch eine goldene Eier legende Henne, einen „Zärtlichen Christus“ zeigt oder sich als masturbierender Mann inszeniert.
Der „Keller" ist dem Selfmademan und Sammler Franz Hauer (1867–1914) gewidmet und ist vollgepackt mit Gemälden von Albin Egger-Lienz, Oskar Kokoschka und Egon Schiele. Von Letzterem ist auf Ebene drei in der Schau „Sehnsuchtsräume“ u. a. das Werk „Wildbach“ (Privatbesitz) zu sehen, das für das Publikum nach 1928, 1948 und 1968 überhaupt erst das vierte Mal zu sehen ist. Und noch eine kleine Sensation ist im zweiten Stock ausgestellt: ein bislang unbekannter Brief Schieles an Josef Hoffmann.