Es wurde diskutiert, debattiert und schließlich war man sich im Schaumbad einig: Wann, wenn nicht jetzt, in Zeiten der multiplen Krisen, muss man die viel zitierte „Heile Welt“ kritisch in Augenschein nehmen? Eben! Sie entspringt nicht nur Romanen, Tagträumen und allerlei Realitätsfluchten, sondern hat sich wie ein wabernder, schwer fassbarer Organismus in der Realität eingenistet. Meist kann man sie in der Nähe der ausgefransten Ränder, der nicht so heilen Welt erkennen. Das belegt schon die Örtlichkeit des Schaumbades: Hier im Triesterviertel war historisch das zu finden, was anderswo in dieser Stadt dunkle Schatten über die heile Welt wirft: Gefängnis, Friedhof, Schlachthaus, später dann die Abfallwirtschaft. Man sieht schnell den Mechanismus dahinter: ohne den Nährboden des Düsteren kann die heile Welt gar nicht hell und verheißungsvoll leuchten. Nicht zu vergessen, die heilige Welt ist ein äußerst wandlungsfähiges Konzept – es kann individuell, aber auch plakativ- symbolhaft im Religiösen erscheinen. Ganz schön viele heile Welten hier. Kurator Martin Baasch nähert sich anhand von zehn künstlerischen Positionen diesem Universum.

Da wären etwa die Allibert-Skulpturen von Markus Wilfling, dank Autolack mit perfekt glänzender Oberfläche. Der schöne Schein der 1980er-Jahre, eine zur Idylle verklärten Zeit. Dabei war das, was hinter den Spiegelschränken verborgen und unsichtbar war, nicht immer zwangsläufig idyllisch. Aber was wäre die heile Welt ohne Verklärung? Fotograf Máté Barthas hat sich unter die Jugendlichen in einem militärisch-nationalistischen Camp in Ungarn gemischt. Der Kontrast zwischen martialischer Inszenierung und leisen, emotionalen, körperlichen Annäherungen, wie etwa Umarmungen, ist enorm. Unausgesprochene, aber trotzdem schrille Hilferufe. Su Kim ist hingegen auf der Suche nach der Version einer heilen Welt, die fassbar ist: Sie dokumentiert jene Welt, die Haustierbesitzerinnen und Besitzer für ihre Vierbeiner schaffen. Ganze „Heile-Welt-Konstrukte“ aus Tierkleidung, Spezialnahrung und Spielzeug offenbaren sich hier. Mittendrin die Tiere wie kleine Herrscher in ihrem Königreich. Ab ins Feld geht es mit Joachim Hainzl: Auf geführten Fahrradtouren macht er sich auf die Suche nach historisch Abgründigem und Freiräumen. Los geht es am 25. Juli um 18 Uhr mit dem Fahrrad. Um Anmeldung wird gebeten.
Susanne Rakowitz

„Heile Welt“. Bis 10. August, Atelierhaus Schaumbad. Puchstraße 41, 8220 Graz. schaumbad.mur.at

Máté Barthas zeigt Porträts, die er in militärisch-nationalistischen Jugendcamps in Ungarn aufgenommen hat
Máté Barthas zeigt Porträts, die er in militärisch-nationalistischen Jugendcamps in Ungarn aufgenommen hat © Susanne Rakowitz
Su Kim erforscht das traute Heim mit Vierbeinern
Su Kim erforscht das traute Heim mit Vierbeinern © Susanne Rakowitz