Ein bisschen ein Paradoxon ist es schon: Rund 70 Prozent der Erdfläche ist von Wasser bedeckt, aber wenn es über das Abbilden hinausgeht, dann wird es schwierig. Keiner weiß das besser als der britische Künstler David Hockney. Es gibt eine Fotografie aus dem Jahr 1987, die ihn im leeren Pool eines Freundes stehend zeigt, während er mit dem Pinsel rudimentäre Wellen malt. Als der gebürtige Brite 1964 nach Los Angeles zieht, verändert der sonnige, sommerliche, farbintensive Ort auch seinen künstlerischen Blick. Doch wie dieses durchscheinende, verheißungsvolle, erfrischende Blau eines Pools im Hochsommer abbilden? Diese glatte Oberfläche, die Reflexionen, die leichte Wellenbewegung bei einem Hauch von Wind. Diese Stimmung, die so sehr für den Sommer, aber auch für die Lebenslust steht, hat Hockney angetrieben. Das Werk „A Bigger Splash“ (1967) treibt seine Bemühungen auf die Spitze: Es zeigt jenen Moment, in dem jemand Sekunden zuvor in den Pool gesprungen ist. Das Wasser spritzt hoch, schäumt auf, Hockney hält diesen Moment wie einen Schnappschuss fest. Das Wasser, die Sonne, allerhöchste Wonne!

„A Bigger Splash“ (1967) von David Hockney
„A Bigger Splash“ (1967) von David Hockney © imago stock&people

Dabei spielt das Wasser in der bildenden Kunst selten eine so heitere Rolle, im Gegenteil. Bedrohlich, unkontrollierbar, elementar – ein Gegenspieler der humanen Verletzlichkeit. Rembrandt hat 1633 seinen Christus in ein Gefährt gesetzt, das mehr Nussschale denn Boot ist. „Christus im Sturm auf dem See Genezareth“ (1633) läuft zwangsläufig auf eines hinaus: Herrgott hilf! Der Wind peitscht, die Wellen tosen unkontrollierbar, das Drama ist greifbar und die Besatzung? Die ist außer Rand und Band, panisch im Kampf gegen die Elemente. Christus hingegen, der wirkt durchaus entspannt. Gottvertrauen heißt das Zauberwort.

„Christus im Sturm auf dem See Genezareth“ (1633) von Rembrandt, „A Bigger Splash“ (1967) von David Hockney. Claude Monet zähmte das Wasser mit seinen Seerosen
„Christus im Sturm auf dem See Genezareth“ (1633) von Rembrandt, „A Bigger Splash“ (1967) von David Hockney. Claude Monet zähmte das Wasser mit seinen Seerosen © Imago (3)

Ach ja, die Welle, also DIE Welle, die wird erst zwei Jahrhunderte später von einem Japaner namens Katsushika Hokusai in Bewegung gesetzt werden. Eine Erfolgswelle, die bis heute rollt und rollt und rollt. Die auf ewig die schmalen Fischerboote und ihre Besatzung bedroht.

Wie ein Löwe reißt die Welle ihr Maul auf und stiehlt dem eigentlichen Hauptdarsteller, dem Fuji, die Show. Von der Serie „36 Ansichten des Berges Fuji“ hat sich der Farbholzschnitt „Unter der Welle im Meer vor Kanagawa“ in die Popkultur eingeschrieben. Mehr noch, die Welle hat auch die Kunst Ende des 19. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusst. Während in Frankreich sich unter anderem die Impressionisten an der Bildkomposition, der Flächigkeit, dem Farbrausch und den Ornamenten orientierten, war in Wien vor allem Gustav Klimt ein Anhänger des Japonismus. Hokusai hat seine Welle, einer Fotografie nicht unähnlich, „eingefroren“ und ihre ganze Wucht mit einer Palette an Blautönen modelliert.

Idylle pur: Claude Monet und ein zentrales Motiv seines Spätwerks - der Seerosenteich in seinem Garten in Giverny
Idylle pur: Claude Monet und ein zentrales Motiv seines Spätwerks - der Seerosenteich in seinem Garten in Giverny © Imago

Das Einfangen einer Stimmung, ein Moment in einer sich permanent verändernden Landschaft war dann auch der Antrieb für die Impressionisten. Bevor sich Claude Monet seinen Seerosen zugewandt hat, hat er sich vor allem auch an Wasserlandschaften abgearbeitet – der Hafen von Le Havre am Morgen oder am Abend. Die Lichtspiegelungen am Wasser, die innerhalb von wenigen Minuten eine Landschaft völlig verändern können. Das Wasser wird hier zur Leinwand auf der Leinwand, ein Spiegel, ein Bildträger. In seinem Spätwerk wird Monet das bis zum Exzess zelebrieren. Das Wasser wird vom bedrohlichen Ungeheuer – man denke nur an Caspar David Friedrich, dessen Mönch am Meer von der lauernden Übermacht des Wassers fast übermannt wird – zum stehenden Gewässerchen, gezähmt von Seerosen.