Sie gewann 2017 den Goldenen Löwen der Biennale und sorgt seither mit Einzelausstellungen für Furore, nun hat sich Kunststar Anne Imhof des Kunsthauses Bregenz (KUB) für eine persönliche und künstlerische Inventur bemächtigt. Anders als gewohnt bespielt sie das Haus am Bodensee in „Wish You Were Gay“ nicht mit Performances, sie nützt vielmehr Gemälde, Sound und Skulpturales. Die Sommerausstellung ist von Samstag bis 22. September geöffnet.

Die 1978 in Gießen geborene Imhof lädt Besucherinnen und Besucher in ihre eigene Geschichte ein, indem sie das Haus auf vier Stockwerken in einem dystopischen Setting als Erweiterung ihrer selbst, ihrer Erinnerungen und künstlerischen Entwicklung gestaltet. In ihrer Schau nimmt sie zentrale Elemente ihres bisherigen Schaffens – etwa einen gläsernen Glaskubus aus „Natures Mortes“ 2021 in Paris – und entwickelt sie weiter, kontextualisiert sie neu. Ein Zwischenstand also, für den Imhof dem KUB schonungslos zu Leibe rückt. So wird auf einer Etage gar die Decke abgehoben. „Obwohl keine Performance zu sehen ist, ist das die bisher performativste Ausstellung“, so die Künstlerin bei der Presseführung am Donnerstag. Tatsächlich wird man als Besucherin bzw. Besucher durchdrungen: von beklemmender Atmosphäre, von dröhnendem Sound.

Ihre Anfangszeit in der Subkultur, als die häufig in Kollaboration arbeitende Imhof sich als Türsteherin, Sängerin und Hausbesetzerin durchboxte, zeigt sich etwa in der 2002 entstandenen, roh wirkenden Videoarbeit „Maria“, in der Imhof zu West Side Story-Klängen gegen sich selbst und gegen die Kamera kämpft. In insgesamt sechs bisher nie gezeigten Videos, die sie in den frühen Nullerjahren mit einem digitalen Camcorder aufnahm, spiegelt sich diese für sie prägende Zeit. Ganz neu entstanden sind mehrere Flachreliefs, basierend auf frühen Zeichnungen. Zu sehen sind androgyne, zerbrechlich wirkende Figuren mit übergroßen Händen.

Großformatige neue Ölgemälde, digital und analog hergestellt, zeigen in den Himmel steigende Explosionspilze und verwischte menschliche Konturen; Figuren, die sich mit dem Finger erschießen. Dieser Gestus, eine Entscheidung über Sein oder Nichtsein, tauche oft in ihrer Arbeit auf, so Imhof. Schön und schrecklich zugleich, in rotes Licht getaucht und von dringlich wirkendem Sound umgeben, schlagen sich in den Detonationswolken Befürchtungen von Krieg und atomarer Bedrohung in ihrer Arbeit nieder. Auf einer Bühnenpodest-Fläche denkt die Künstlerin über das Authentische in der Kunst nach, wenn sie ihre Stimme gegen AI-generierte Stimmen setzt. Eine Motorrad-Installation – bei Imhof eine Ducati – mit dem Titel „My Own Private Idahoe“ verweist auf das wegweisende Meisterwerk des queeren Films, und wohl auch auf Imhofs eigenes „Roadmovie“.

Ein sich wiederholendes Element sind semitransparente „Crowd Barriers“, also Barrieren, die man von großen Events kennt. Imhof nützt sie, um die Räume des Zumthor-Baus zu teilen, aber auch um das Publikum auf Blickachsen zu leiten und in das Kunstwerk einzubeziehen. „Dieses Gebäude, das erst einmal kalt wirkt, bietet großartige Möglichkeiten, Kunst zu zeigen“, war die Künstlerin angetan von der Architektur. Dass sich manches in ihrer Arbeit unfertig anfühlt, ist gewollt. „Manche Sachen sind viel stärker, wenn sie nicht perfekt produziert sind“, betonte sie. Gerade das sei ihr besonders wichtig: Dass es auch in ihrer Arbeit, die oft mit Coolness und der Verwendung harter Materialien verknüpft wird, etwas Verletzliches gebe.