Gefühlt kehrt sie, pünktlicher als jedes Schaltjahr, regelmäßig wieder: die Kunsthaus-Diskussion. Jüngst etwa ortete der Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler plötzlich Redebedarf - und wünschte sich öffentlich einen „konstruktiven Dialog“ um Jahreserlöse, inhaltliche Ausrichtung, Besucherzahlen und gesellschaftliche Relevanz des Hauses. Erwartungsgemäß zog die in Kulturfragen stets leidenschaftlich sparsame FPÖ mit der Forderung nach Subventionskürzungen nach.
In der Kulturszene sorgt das für einigen Zorn - und die Vermutung, vonseiten der Stadtregierung versuche man nun nach dem Forum Stadtpark die nächste unliebsame Institution in die Mangel zu nehmen. Gelassen reagiert indes die Kunsthaus-Leiterin Barbara Steiner. Diskursangebote wie das des Kulturstadtrates sehe sie grundsätzlich positiv, sagt sie, „und wenn man im Bereich der zeitgenössischen Kunst arbeitet, rechnet man sowieso immer damit, Diskussionen führen zu müssen“.
Ihr aktuelles und nun, wie alle drei Jahre, zur Anpassung freigegebenes Kunsthaus-Leitbild hält fest, dass das Geschehen im Friendly Alien international ausgerichtet und der Kunst seit den 1960er-Jahren gewidmet sein soll. „Was mir“, sagt Steiner, „sinnvoll erscheint angesichts der kulturellen DNA dieser Stadt. Immerhin gibt es hier eine bedeutende Avantgardetradition, die Graz für viele interessant macht.“
Interessanter vielleicht sogar als Ausstellungen, die in den wiederkehrenden Diskussionen um das Kunsthaus-Programm gern gefordert werden: Quotenbringer des internationalen Ausstellungsgeschehens von Monet bis Schiele etwa. Für derlei braucht man aber entweder eigene Bestände (die das Kunsthaus natürlich nicht hat) oder viel mehr Geld. Davon abgesehen meldet Steiner Zweifel an der überregionalen Attraktivität solcher Projekte an: "Ich bin mir nicht sicher, ob das Publikum dafür etwa aus Wien nach Graz reisen würde. Dort gibt's die Albertina, und gefühlt findet da ja schon jedes Jahr eine Monet-Ausstellung statt."
Sich im Kunsthaus mit zeitgenössischer Kunst, mit dem Spannungsverhältnis zwischen internationaler Ausrichtung und regionaler Verankerung zu befassen, ist sie vor zweieinhalb Jahren angetreten. Für ihre Auftaktausstellung über Großtaten und internationale Netzwerke der Grazer Architektenszene 2017 hätte sie sich „mehr freudige Auseinandersetzung“ erhofft, konzediert sie - „aber man erwartet von uns eben Kunst, nicht Architektur“.
Die daraus gezogenen Lehren flossen in das breit angelegte Kooperationsprojekt „Glaube Liebe Hoffnung“ zur 800-Jahr-Feier der Diözese im Vorjahr ein. „Das brachte uns in jedes Pfarrblatt“, freut sich Steiner. Der beabsichtigte (und eingetretene) Effekt: Man erreichte Besucher, „die jetzt in ein Kunsthaus kommen, in das sie sich vorher vielleicht nicht so eingeladen fühlten“. Könnte man durchaus gesellschaftlich relevant finden. Und auch die noch bis 27. Jänner laufende Ausstellung „Congo Stars“ erzählt von globalen Verknüpfungen, „die interessant sein können, ohne dass man über zeitgenössische Kunst viel wissen muss“.
Darüber hinaus dient die Schau als Prototyp eines Kooperationsmodells, das Steiner in den nächsten Jahren weiter forcieren will: Länderübergreifende Recherche, Kuratierung, Finanzierung von Ausstellungen, die Einzelinstitutionen dieser Größenordnung (das Kunsthaus hat derzeit ein - schrumpfendes - Jahresausstellungsbudget von 600.000 Euro) sonst gar nicht stemmen können. Mit der Kestnergesellschaft in Hannover und weiteren Partnern ist etwa eine Personale von Monica Bonvicini in Vorbereitung.
Schon demnächst, ab 15. Februar, widmet sich das Grazer Kunsthaus dem Künstler Jun Yang, einem chinesischstämmigen Wiener, der sich entlang der eigenen Biografie mit Identitätsbildern in Zeiten der Globalisierung befasst - und dabei mit Österreich- und China-Klischees spielen wird: „Das geht von der Schnitzeltapete bis zum Goldenen Drachen“, verrät Steiner. Die weiteren Eckpfeiler des diesjährigen Programms bilden eine erweiterte Personale von Peter Kogler („gut instagramtauglich“) und die gemeinsam mit Hannover und Leipzig organisierte Schau „Kunst_ Handwerk“ („ein Kontrapunkt zur digitalen Entmaterialisierung“), zu deren Leihgebern das Volkskundemuseum und Stübing zählen - weil ein Ausstellungsbetrieb ohne Ankaufsbudget und eigene Sammlung eben „unkonventionelle Lösungen“ erfordert, so Steiner, und weil sie zeigen will, „wie Handwerk, das verloren zu gehen droht, in der Kunst überlebt“.
Das alles im Zeichen des Versuchs, „die Menschen davon zu überzeugen „dass es nicht die schlechteste Idee ist, dass Graz langfristig auf zeitgenössische Kunst setzt“. Zweieinhalb Jahre hat Steiner vorerst Zeit, um dafür das Fundament zu legen. Ihr Vertrag läuft bis 2021.
Ute Baumhackl