Dass sie ein Bühnenmensch ist, hat Estha Sackl schon als energiegeladene Poetry-Slammerin bewiesen. Was sie aber außer Schnellsprech noch so alles draufhat, zeigte die Kärntner Schauspielerin am Donnerstagabend in der Säulenhalle des „kärnten.museum“. In einem temporeichen Monolog wirbelte sie über Marmorstufen, rutschte über Geländer und kroch auf allen Vieren Richtung Publikum. Die freche, hellwache Göre aus dem Gratschbacher Hof im Roman „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken den Himmel hinauf fletscht“ passt ihr wie auf den Leib geschneidert. Anders als der 11-jährigen Ich-Erzählerin das Dirndlkleid, in das die ungeliebte Stubenhof-Oma ihre Enkelin immer wieder zu stecken versucht.
Regisseurin Ute Liepold verdichtete für die Bühnenfassung des Romans von Julia Jost das 230 Seiten starke Buch raffiniert auf rund 70 Minuten, strukturierte den Inhalt der Erzählung mit Kapitelüberschriften und Bildmaterial via Video (Philip Kandler) und staffierte die Darstellerin mit Requisiten vom Stofftier über ein Gewehr bis zu Sarg und Umzugskartons aus. Estha Sackl wechselte buchstäblich im Handumdrehen ihre Positionen, wurde vom Mädchen, das den Buben bei ihren gefährlichen Mutproben zusieht zur Tochter, die auf ihre Mutter wartet oder zur Freundin, die erste sexuelle Erfahrungen macht.
Die Rahmenhandlung ist dieselbe wie im Buch: Das Kind liegt unter einem LKW, erinnert sich und beobachtet, wie die Familie zusammenpackt, um aus dem Gratschbacher Hof auszuziehen. Die burschikose Kleine ist mehr Bub als Mädchen, queer würde man heute sagen, und versucht mit unterschiedlichsten Mitteln die Schichten ihrer Kindheit abzutragen. Gerade noch stopfte sie sich Schokobananen in den Mund, schon ahmt sie den Vater nach und schmiert sich Rasierschaum ins Gesicht.
Kein Anti-Heimatroman
Das Leben in dem entlegenen Schakaltal ist hart. Ein Kind verunglückt, die Männer schwingen große Reden im Wirtshaus, die Frauen rackern sich ab. Von der Urgroßmutter bis zur Tochter, die lieber ein Sohn wäre, sind alle Mütter und Töchter unglücklich. In Julia Josts Roman, der kein Anti-Heimatroman sein will, fehlt dennoch kaum ein Kärnten-Stereotyp: Vom Messer mit der Aufschrift „Meine Ehre heißt Treue“ über die „99% der Bevölkerung“, die einst für den „Anschluss“ gestimmt haben bis zum pädophilen Pfarrer, den Partisanen und zum Burschen, der wegen seiner Homosexualität den Strick nimmt.
Durchsetzt mit vielen authentischen Mundart-Ausdrücken ist auch das Stück eindeutig in Kärnten verortet, Musik- und Gesangseinlagen, live und vom Band, stellten atmosphärisch den Zeitbezug zu den 1990er Jahren her. Beim Kärntnerlied „Is schon still uman See“ herrschte am 10. Oktober im Museum noch Stille im Saal, bei der Rock-Ballade „What´s up?“ („I said hey, hey, hey, what´s going on?), die Estha Sackl mit ihrer Ukulele intonierte, sang bald das ganze Publikum mit.