Ein Sommertag 1984: Im Schatten eines Baumes im Garten hinter dem Haus ein erstes Interview mit Gustav Januš, Hauptschullehrer im Rosentaler St. Jakob, als Maler Autodidakt mit unverkennbarer Handschrift und als (slowenisch schreibender) Lyriker soeben von der Petrarca-Preis-Verleihung in Avignon zurückgekehrt. Seine Gesprächseröffnung: „In 55 Jahren werde ich 100.“

Ein Spätsommertag 2024. Das Zeitfenster bis 100 ist auf 15 Jahre geschrumpft und wird von Gustav Januš nicht mehr als Gag verwendet. Jetzt doziert er – einmal Lehrer, immer Lehrer – über die Nachhaltigkeit der Lyrik und pocht auf zwei Beispiele: Das vertonte Gedicht „V nebesih sem doma“ (Im Himmel bin ich zu Hause) von Bischof Slomšek, das in slowenischen Messen und bei Begräbnissen – er hebt den Zeigefinger – „mit Empathie und Inbrunst gesungen wird“. Und Rilkes „Ich kreise um Gott, um den uralten Turm. Ich kreise Jahrtausende lang und weiß noch nicht, bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.“

„Am Schluss des Lebens“, stellt er auf der kleinen Terrasse mit Blick auf den üppigen Garten fest, „beschäftigt einen die Natur. Und was noch? Das Jenseits.“ Es geht ihm gegen den Strich, wenn die Leute bei der Zeile aus dem Glaubensbekenntnis „Ich glaube an das ewige Leben“ lächeln. „Das muss man ernst nehmen“, wird er laut. Um gleich darauf zu witzeln: „Da frage ich einen Maulwurf nach dem Sinn des Lebens. Und was macht der? Einen Haufen.“ Im Januš-Garten in Bresnica bei Šentjakob v Rožu ist an diesem Nachmittag kein Erdhügel zu sehen. Der Maulwurf sucht den Sinn des Lebens vermutlich beim Nachbarn.

In Schloss Ebenau ist eine Ausstellung mit Arbeiten von Gustav Januš zu sehen
In Schloss Ebenau ist eine Ausstellung mit Arbeiten von Gustav Januš zu sehen © Galerie Walker

Täglich und mit ungeheurer Energie arbeitet Gustav Januš in seinem Atelier. An den Wänden, in Kartons, auf dem langen Tisch, auf den Bänken hängen und liegen dicht an dicht seine Tagesbilder. Konstruiert und komponiert die einen, nuancenreich schattiert und spontan wirkend die anderen, manche grau, je nach Tagesverfassung (vorbereitet für Schloss Ebenau). „Alte Bilder in zeitloser Frische“, habe der Kunstkritiker der Kleinen Zeitung zu seiner Ausstellung in Wolfsberg (Bilder aus den Jahren 1987 bis 2003) festgestellt. Das hat dem Maler Januš gut gefallen.

Das letzte Gedicht hat er 2019, im Jahr seines 80. Geburtstags, geschrieben. „Der Blick durch das Fenster der Farbe ist nämlich schattenlos“, zitiert er eine Zeile. Wieso er keine Gedichte mehr schreibt? Es folgt eine typische Januš-Antwort: „Weil die alten noch gelesen werden.“ Zusatz: „Meine ersten Gedichte waren ziemlich abstrakt, wahrscheinlich sind die Leute bei den Lesungen alle eingeschlafen. Dann habe ich begonnen, in Alltagssprache zu schreiben. Da haben alle geklatscht, das war auch irgendwie peinlich. Mir kommt vor, dass Bilder schneller zu begreifen sind.“

Gedichte könnten Lebens- und Sterbehilfe sein, geben Orientierung, ist er überzeugt. Was ein Januš ist, denkt auch ohne Gedichte hin und her. 1939 in Zell/Sele geboren, hat der Gustav (hinter dem zweiten Vornamen Alois vermutet er die mütterliche Verehrung für den Pfarrer) den ersten deutschen Satz in der Schule gehört. „Ob ich den verstanden habe, weiß ich nicht. Integriert wurde ich erst mit 12 Jahren, als man mich aufs Gymnasium nach Tanzenberg geschickt hat.“ Spätestens ab da „ist mein Leben ein Glücksfall“. Welche Fragen ihn beschäftigen? Etwa: „Was ist der Gedanke? Eine physikalische Größe?“

Zum 80. Geburtstag wünschte sich Gustav Januš von jedem Gast eine Flasche Rotwein und einen Apfel. Was darf es zum 85sten sein? „Ein Nichtgeschenk ist am besten! Es ist doch so: Solange man neugierig ist, lebt man”. Und schwebe zwischen den Dingen, „zwischen Wort und Maulwurf halt“.