Gott kommt daher wie Jack Nicholson in „Was das Herz begehrt“ – in vorne hochgeschlossener Patienten-Kluft, mit blankem Hintern. Diese erste Szene sorgt für Heiterkeit im Burghof und lässt sich durchaus als Hinweis verstehen: Im Hause Jedermann erhält eine moralische Instanz gleich die Arschkarte. In der Produktion des „Theater Wolkenflug“ ist Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ mit der souveränen Magda Kropiunig besetzt, die sich den als Buhle antanzenden Michael Kuglitsch herfängt und mit Birgit Fuchs in Gestalt des guten Gesellen ihre Geldgeschäfte erledigt.

Regisseurin Ute Liepold hat das Mysterienspiel kräftig eingestrichen und den historisc hgefärbten Originalversen einen richtigen Turbo verpasst. Schlag auf Schlag treten Koch, Schuldknechts Weib, armer Nachbar oder Hausvogt vor und holen sich eine Abfuhr. Mit ironischem Unterton mahnt Estha Sackl als Mutter von Jedermann Gottesfurcht und die Einhaltung von Konventionen ein, was diese gelangweilt über sich ergehen lässt, ehe sie erste Ahnungen durchzucken. Soweit, so Hofmannsthal. Die Videos (Philip Kandler) im Bühnenhintergrund unterlaufen einerseits die rasante Befragung des Themenkomplexes zwischen christlichen Glaubensfragen und schnellem Genuss, andererseits untermauern sie das gesprochene Wort. Mit den subtilen Kostümen von Marlies Liekfeld-Rapetti (Bühne) wechseln die Darsteller von einer Rolle in die andere.

© Gerhard Maurer

Die Party steigt, man findet sich in einem intensiv gesungenen Kanon und es folgt so etwas wie eine kontrollierte Explosion in Form von „Glaubensbekenntnissen“. In sehr persönlichen Statements erklären sich die Ensemblemitglieder und katapultieren den Abend in die Gegenwart. Gott schickt Tod und Teufel, die guten Werke geben sich keck, man witzelt über die „Flügalan“ des körperbetonten Engels von Tibor Taylor. Und Jedermann? Die pfeift sich nichts, kriecht nicht zu Kreuze und sieht sich nicht in der Opferrolle. Befreiender als mit „Hells Bells“ von AC/DC und einer Stimmung wie bei einem Rockkonzert hätte der kraftvoll-kurzweilige Abend kaum enden können. Die Denkräume zur Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen sind geöffnet.