Einmal angenommen, Jedermann ist eine Frau. Wie anders käme das Mysterienspiel dann daher? Wie ist es, wenn einmal eine Frau Macht und Geld skrupellos einsetzt, sich weder um den Herrgott noch um weltliche Konventionen schert, ihrer Gier selbstbewusst freien Lauf und sich von niemanden dreinreden lässt? Seit Jahren stellt Regisseurin Ute Liepold Frauen der Weltliteratur im Klagenfurter Burghof auf die Bühne, heuer besetzt sie „Jedermann“ mit der Schauspielerin Magda Kropiunig in der Titelrolle. „Hofmannsthal verhandelt den Verlust des Glaubens zugunsten des schnellen Genusses. Wenn Jedermann eine Frau ist, ist das schon spannend“, sagt Liepold, die unter Jedermann alle Frauen mitgemeint sieht und damit auch ein „kokettes Spiel mit Sprachbewahrern“ spielt. Der Originaltext wurde eingekürzt, aber nicht verändert. Als Brüche fungieren fünf Ausstiege, in welchen sich die Schauspieler fragen: „Woran glaube ich?“ – ein geschickter Kniff, der anhand des 100 Jahre alten Stoffes neue Denkräume erschließt. „Die Bandbreite von Glauben ist heute sehr groß. Das Geständnis, an Gott zu glauben, ist eher unpopulär“, verweist Ute Liepold auf die Herausforderung für das Ensemble, sich mit privaten Fragen auseinanderzusetzen.

Überhaupt werden in der Produktion des Theater Wolkenflug viele Fragen gestellt, die dazu dienen, die Gegenwart zu beleuchten. Magda Kropiunigs Buhlschaft ist Michael Kuglitsch, der auch die Rolle von Mammon und Glaube übernimmt. Birgit Fuchs tritt unter anderem als Teufel und Gesell auf, Estha Sackl als Schuldknechts Weib, Tod und gute Werke. Mit dem gebürtigen Villacher Tibor Taylor (Gott, dicker Vetter etc.; spielte 2004 in Timber-Trattnigs „Feuerpferd“) kehrt ein seltener Gast zurück. Bühne und Kostüme stammen von Marlies Liekfeld-Rapetti. Premiere hat das Spiel vom Sterben der reichen Frau am Freitag. Für Schulklassen werden Einführungsgespräche mit Regisseurin Ute Liepold vor den Vorstellungen angeboten. Uschi Loigge