Seit 110 Jahren ist das Klagenfurter Künstlerhaus Stammlokal und glanzvoller Präsentierteller des Kunstvereins Kärnten. Aus Anlass dieses Jubiläums hält der Verein kurz inne und blickt mit einer Ausstellung dankbar zurück. „Obwohl der Kunstverein zukunftsorientiert ist, möchten wir diesmal Rückschau halten und dem Wirken seiner Künstler und Künstlerinnen gedenken, die nicht nur den Verein, sondern auch die Kunst in Kärnten geprägt haben“, sagt Kurator Andres Klimbacher über die Retrospektive, die 26 verstorbenen Mitgiedern der letzten Dekade gewidmet ist. Die Zusammenschau ihrer Werke erweist sich als berührend und erhellend zugleich, ermöglicht sie doch ein Wiedersehen mit guten alten Bekannten, aber auch die Begegnung mit zuweilen verborgenen Schätzen.

Gleich im Großen Saal begegnet man Namen, die längst zu Klassikern der heimischen Kunstgeschichte geworden sind, darunter Hans Staudacher oder eine Maria Lassnig, die mit „tierischen“ Zeichnungen aus Kärntner Privatbesitz präsent ist. Auch Werke von Burgis Paier, Franz Grabmayr und Siegfried Tragatschnig, der mehr als drei Jahrzehnte an der Spitze des Kunstvereins stand, bereichern die Szenerie.

Ganz besondere Exponate wurden aus Cornelius Koligs „Paradies“ entliehen. Neben impressionistisch anmutenden Landschaftsgemälden imponiert vor allem ein mit Totenkopf verziertes „Pissoir“, das als doppeldeutiges „memento mori“ praktische Anwendung finden könnte. Ein in Metall geschnittenes Selbstporträt erinnert an eine Weltkarte nach vorangegangener Kontinentalverschiebung. Eine solche war für viele auch der Tod des großen Menschen- und Katzenverstehers. Wie es mit seinem „Paradies“ weitergeht, steht derzeit in den Sternen.

„Wir haben versucht, eine ältere und eine jüngere Arbeit zu zeigen, wenn möglich auch ein Selbstporträt, um den jeweiligen Werdegang sichtbar zu machen“, erzählt Andres Klimbacher über seine Spurensuche in zahlreichen Künstlerateliers. Besonders stolz ist er auf ein jugendliches Selbstporträt von Hans Staudacher, das den späteren Aktionisten als blonden Feschak vor Augen führt. Auch Paul Kulnig und Egon Wucherer, der sich auch als malender Affe darstellte, sind mit beeindruckenden Selbstporträts vertreten, ebenso wie Peter Brandstätter, der sich noch als 96-Jähriger mit sicherem Strich in Szene setzte.

Von Giselbert Hoke stammt das mit Abstand größte Bild der Schau, ein informelles Gemälde aus dem Jahr 2005/2006. Es hängt normalerweise im Speisesaal von Hokes Atelier in Saager. Eine Glasplatte, die dem 2015 verstorbenen Künstler als Vorstudie für eine Emailarbeit im Bahnhof von Leoben diente, zeigt Hoke auf einem OP-Tisch. Es dürfte sich um jenen Zeichentisch einer Kremser Schule handeln, auf welchem sich der schwer verwundete Wehrmachtssoldat 1945 seinen rechten Arm amputieren lassen musste.

Neben Lokalmatadoren wie Ferdinand Penker, Ilse Mayr, Heinz Möseneder oder Kurt Piber trifft man in der Schau auch auf weniger bekannte Namen wie Ernst Cerjak, Robert Primig oder Adelheid Schneider, die mit teils konventionellen, aber ebenfalls interessanten Werken vertreten sind.

Ein Hauch von Melancholie, ja Tragik durchweht die Kleine Galerie des Künstlerhauses. Hier findet man Werke der allzu früh verstorbenen Mitglieder Sonja Hollauf, Klaus Appenzeller und Rolanda Fekonja. Doch nicht von allen Künstlern konnten nennenswerte Leihgaben organisiert werden. So erinnern etwa an die Fotografin und Lyrikerin Kriemhild Natmeßnig nur zwei ihrer Bücher.

Den Toten der Vergangenheit stehen heute 203 lebende Kunstvereinsmitglieder gegenüber. Sie werden sich für die im Sommer geplante Jubiläumsschau vor allem Gedanken über ihre eigene Zukunft machen. Klimbacher: „Wir werden uns die Frage stellen: Schafft uns der Computer ab, wird Kunst in 110 Jahren nur noch von der KI gemacht?“ Aber auch die bereits bestehenden Werke bereiten dem Vizepräsidenten des Kunstvereins Kopfzerbrechen: „Ich habe im Zuge meiner Recherche so viele gefährdete Nachlässe gesehen. Es wär toll, wenn das Land ein Depot schaffen könnte, um sie für künftige Generationen zu sichern“. Möge sein Geburtstagswunsch Gehör finden!